Der überraschende Fund von Resten der 1938 von den Nazis abgefackelten Synagoge führt zu einem Konflikt zwischen der Stadt und der Israelitischen Gemeinde.

Baden-Württemberg: Heinz Siebold (sie)

Freiburg - Wer gräbt, wird fündig: Bauarbeiter sind auf einer Großbaustelle in der Freiburger Innenstadt zwischen der Universität und dem Stadttheater auf Steine gestoßen, die zum Politikum werden: Es handelt sich um Fundamentreste der alten Synagoge, die früher exakt auf dem Platz stand, auf dem die Stadt in Erinnerung an die jüdische Kultstätte einen Brunnen errichten möchte. Das 1870 eingeweihte jüdische Versammlungshaus wurde von den Nazis in der Nacht zum 10. November 1938 niedergebrannt. Der Platz vor dem Kollegiengebäude II der Universität heißt heute Platz der Alten Synagoge, an einer Erinnerungstafel finden dort jedes Jahr am 9. November Gedenkfeiern für die Opfer des Holocaust statt.

 

Eine unerwartete Überraschung sei der Mauerfund gewesen, beteuert das Landesdenkmalamt, das in die Neuplanung des Platzes fest eingebunden war. „Wir haben nicht damit gerechnet“, sagt der Archäologe Bertram Jenisch vom Denkmalamt. „Wir haben vorab eine geophysikalische Untersuchung gemacht, und es gab keine Hinweise auf eine Mauerstruktur“. Bei prähistorischen Zeugnissen auf Wiesen und Äckern zeichnen sich Steine im weichen Humus eindeutiger ab als in einer Innenstadt, wo der Boden stark verdichtet ist. Nach dem Mauerfund wurden die Bauarbeiten an der Stelle eingestellt, und das Rathaus machte die Angelegenheit zur Chefsache. Der Oberbürgermeister Dieter Salomon (Grüne) führte persönlich Gespräche mit dem Denkmalamt und zwei jüdischen Gemeinden in Freiburg.

„Steine repräsentieren die Ewigkeit“

„Steine spielen in der jüdischen Kultur eine große Rolle“, betont Irina Katz, die Vorsitzende der Israelitischen Gemeinde. „Sie repräsentieren die Ewigkeit“. Juden gehen zum Beispiel nicht mit Blumen, sondern mit Steinen zu den Gräbern ihrer Verstorbenen. Eine Versammlung am, 27. Oktober, an der 80 der 700 Mitglieder der Freiburger Israelitischen Gemeinde teilnahmen, hat sich dafür ausgesprochen, die Mauerreste vollständig und sichtbar zu erhalten. Vor der Entscheidung war ein Aufruf kursiert, in dem eine wie auch immer geartete Abdeckung der Mauerreste als Schande bezeichnet wurde.

Der Versuch des Oberbürgermeisters, eine gütliche Einigung zu erzielen, ist damit gescheitert. Dennoch will Salomon die Bauarbeiten fortsetzen und an den Plänen für den Brunnen, der exakt den Umriss der ehemaligen Synagoge nachbildet, festhalten – wenn auch in abgewandelter Form. Denn ein Verzicht auf die Anlage würde eine komplette Neuplanung des Platzes erforderlich machen. Mit Mehrkosten, die die Millionengrenze deutlich überstiegen, und einer erheblichen Verzögerung. Auf der ehemaligen Ringstraße zwischen Uni und Theater muss jedoch fristgerecht die neue Stadtbahn gelegt werden, sonst gehen Fördermittel verloren. Der überwiegende Teil der Mauerreste soll nun abgedeckt erhalten, ein Teil aber abgetragen und in ein neues Denkmal integriert werden.

„Aus denkmalpflegerischer Sicht ist die Erhaltung eines Kulturdenkmals auch ohne Sichtbarmachung möglich“, betont der Archäologe Jenisch. Die Erhaltungspflicht sei auch dann gewahrt, wenn die – nicht zum Kultbereich der Synagoge gehörenden – Mauerreste mit einer speziellen textilen Abdeckung und einer Erdschicht bedeckt würden. Eine Sichtbarmachung der Steine durch Verglasung, wie von verschiedenen Seiten angeregt, sei nur mit hohem Aufwand und mit dem Risiko von Kondenswasser- und Algenbildung, möglicherweise auch mit der Zerstörung der Mauerreste verbunden, sagt der Denkmalpfleger und verweist auf Erfahrungen anderer Städten.

Auch die jüdische Gemeinde ist sich uneins

Das Votum der Israelitischen Gemeinde stößt in jüdischen Kreisen nicht überall auf Zustimmung. Vertreter der kleineren Egalitären Jüdischen Chawurah-Gescher-Gemeinde haben gegenüber der Stadtverwaltung den Vorschlag, ein zusätzliches neues Mahnmal zu errichten, begrüßt. Auch der frühere Rabbiner Benjamin Soussan unterstützt diesen Plan, denn aus religiöser Sicht sei kein Zwang gegeben, die Steine sichtbar zu machen, meint er.

Die ehemalige stellvertretende Vorsitzende der Israelitischen Gemeinde Freiburgs, Ursula Amita, hatte bereits in der seit 15 Jahren andauernden Planungsphase erklärt, dass ihre Gemeinde keinerlei Interesse an eventuell zutage kommenden Fundamenten habe. Die Synagoge sei „kein Sakralbau, sondern lediglich ein Ort der Versammlung“. Die Israelitische Gemeinde hatte der Planung 2004 und erneut 2011 zugestimmt. Auch die Mehrheit der Freiburger Gemeinderäte steht hinter dem Kurs des Oberbürgermeisters Salomon, der betonte, „dass es immer das Ziel der Planung war, dass der zerstörten Synagoge in würdiger Weise gedacht wird.“