Die Abtei Neuburg hat sich vom Abt und dessen Geschäftsführern getrennt. Diese wehren sich und suchen Hilfe bei weltlichen wie geistlichen Instanzen. Wie es weitergeht, weiß derzeit niemand genau.

Heidelberg - Eigentlich müssten die Besucher an den Adventswochenenden wieder in Scharen zum Weihnachtmarkt im Kloster Neuburg in Heidelberg strömen. Doch der beliebte Markt mit echtem Ochs’ und Esel im Stall hoch über dem Neckartal fällt in diesem Jahr zum Leidwesen seiner vielen Fans aus. Den Mönchen der Benediktiner-Abtei steht der Sinn nicht nach vorweihnachtlichem Trubel. Denn der Haussegen hängt schief, und zwar schon seit Längerem.

 

Zunächst hatten jahrelange Differenzen mit den früheren Pächtern des Klosterhofs und seinem beliebten Ausflugslokal einige Negativ-Schlagzeilen gemacht. Auch mit der Landwirtschaft war es schleichend bergab gegangen. Der neue Abt Winfried Schwab (54), der erst 2016 gewählt worden war, sollte eigentlich die Probleme lösen. Stattdessen sind die internen Konflikte noch größer geworden. Im September hatte der Beuroner Abtpräses Albert Schmidt, der Leiter des Verbands der gleichnamigen Kongregation, zu der das Heidelberger Kloster gehört, die Notbremse gezogen und Schwab offiziell seines Amtes enthoben. Der 54-Jährige habe bei wichtigen Entscheidungen „die zuständigen Gremien nicht in der Weise eingebunden, wie dies den kirchlichen Bestimmungen entsprochen hätte“, erklärte er zur Begründung.

Der Abt selbst hat sich dazu bisher öffentlich nicht geäußert. Er habe sich schon im Juli krank gemeldet und in eine Klinik fern von Heidelberg zurückgezogen, berichtet der Anwalt des Klosters, Werner Bornemann-von Loeben. „Seitdem haben wir nichts mehr von ihm gehört.“ Man gehe davon aus, „dass er seine Kompetenzen deutlich überschritten hat“. Unter anderem habe Schwab offenbar Berater- und Planungsaufträge sowie einen Pachtvertrag ohne die nötige Zustimmung des Konvents der Mönche vergeben, so der Anwalt.

Schwab hat im Vatikan Widerspruch gegen seine Amtsenthebung eingelegt

Unmittelbar nach dem Abt hat das Kloster auch den Geschäftsführer und die Geschäftsführerin der Ökonomie-GmbH entlassen, die für den Klosterbetrieb zuständig ist. Schwab hatte die GmbH erst Anfang 2018 neu gegründet hatte. Er selbst und die bisherige GmbH-Chefin wehren sich gegen die Entlassung und kämpfen vor kirchlichen und weltlichen Gerichten um ihre Posten: Schwab hat nach Angaben des Heidelberger Priors Ambrosius Leidinger, dem der Beuroner Abtpräses Ende September die Leitung von Neuburg übertragen hat, im Vatikan in Rom Widerspruch gegen seine Amtsenthebung eingelegt. Außerdem hat die bisherige Geschäftsführerin beim Heidelberger Arbeitsgericht eine Klage eingereicht, um eine Fortführung ihres Dienstvertrags zu erreichen. Außerdem hat sie dort nach Angaben einer Gerichtssprecherin die Nachzahlung ihres Entgelts für die Monate August bis Oktober 2018 in Höhe von rund 21 000 Euro beantragt. Abt Schwab sei nach ihrer Auffassung weiterhin Leiter des Klosters und wolle auch weiter mit ihr zusammenarbeiten, erklärte sie bei einem ersten Verhandlungstermin.

Ein weiteres Verfahren ist beim Amtsgericht in Heidelberg anhängig: Weil die Mönche zunächst versäumt hatten, die zwei Geschäftsführer nach ihrer Entlassung umgehend aus dem Handelsregister streichen zu lassen, haben diese – angeblich vorsorglich – die Eröffnung der Insolvenz der Kloster-GmbH beantragt. „Die Anzeige ist bösartig, das Konto ist im Plus, die Gesellschaft ist nicht überschuldet“, sagt der Klosteranwalt. Das Gericht hat einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt, der nun die finanzielle Lage der Gesellschaft prüft.

Nächstes Jahr soll wieder ein Weihnachtsmarkt stattfinden

Wie geht es weiter angesichts all dieser Auseinandersetzungen? „Das weiß kein Mensch“, gesteht Pater Franziskus Berzdorf, der Sekretär des Beuroner Abtpräses. Üblicherweise müsse bei einer Vakanz an der Spitze eines Klosters innerhalb von drei Monaten ein neuer Abt gewählt werden. „Doch nun muss man zunächst die Entscheidung Roms abwarten.“ Wie lange das dauert, ist unklar. „Wir haben keine Erfahrung mit solchen Dingen“, sagt der Sekretär. Auch beim Heidelberger Arbeitsgericht heißt es „abwarten“. Man müsse zunächst prüfen, ob der Fall vor die Handelskammer am Landgericht gehöre, sagte die zuständige Richterin. Dann müsste sie ihn „von Amts wegen“ dorthin verweisen.

„Es ist schlimm, was da alles abläuft. Dass ein solches Kleinod wie Neuburg in so eine Lage geraten kann, ist traurig“, sagt der Heidelberger Bundestagsabgeordnete Karl Lamers (CDU). Er wohnt in der Nachbarschaft des Klosters und hat vor einem Jahr hinter den Kulissen vergeblich versucht, zu schlichten. Prior Leidinger gibt sich indes zuversichtlich: „Wir wollen alles tun, damit das Leben hier wieder in die richtigen Bahnen kommt – aber das müssen wir jetzt ausfechten“, sagt er. „Und nächstes Jahr machen wir dann auch wieder einen Weihnachtsmarkt.“

Bewegte Geschichte seit dem 12. Jahrhundert

Die Abtei im Heidelberger Stadtteil Ziegelhausen wurde 1130 von Lorsch aus als Benediktiner-Kloster gegründet, verwaiste aber schon wenig später wieder. 1195 wurde es ein Frauenkloster. Unter der Äbtissin Pfalzgräfin Brigitta schlossen sich die Nonnen im 16. Jahrhundert der Reformation an. Aus dem Kloster wurde ein Stift für adlige Fräulein. 1804 kam das „Stift Neuburg“ in Privatbesitz und wurde zu einem beliebten Treffpunkt Kunstschaffender. Zu den Gästen gehörte der Komponist Carl Maria von Weber, der Dichter Justinus Kerner und der Maler Ernst Fries.

1926 entschied sich die Erzabtei Beuron zum Rückkauf, so wurde Neuburg von Bruchsal und Beuron aus von Benediktinermönchen neu besiedelt. Zur Landwirtschaft gehörten Milchvieh, eine Schweine- und Forellenzucht, eine Imkerei und eine Gärtnerei. Bis Ende der 1990er Jahre gab es auch eine Efeuzucht mit 500 Sorten. Wegen Nachwuchsmangel wurde die Landwirtschaft 2007 verpachtet. Derzeit leben zehn Mönche im Kloster, die meisten sind über 70 Jahre alt.

Obwohl die meisten Klöster Nachwuchssorgen haben, sind in Baden-Württemberg noch immer zahlreiche Orden aktiv. In der Diözese Rottenburg-Stuttgart leben 1700 Männer und Frauen in Klöstern oder Gemeinschaften, im Bereich der Diözese Freiburg sind es 1400. In beiden Diözesen gibt es 140 klösterliche Gemeinschaften.