Autobauer und Zulieferer sehen durch zu harte CO2-Regeln Jobs in ihrer Branche gefährdet. Der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) ist da anderer Meinung.

Berlin - Die Automobilbranche steht noch ein wenig unter Schock, nachdem sich die EU-Umweltminister diese Woche auf neue Kohlendioxid-Höchstgrenzen geeinigt haben. Um durchschnittlich weitere 35 Prozent soll sich der CO2-Ausstoß im nächsten Jahrzehnt verringern, was ohne eine satten Anteil von E-Autos nicht zu schaffen ist. „Das ist der perfekte Moment, um über die ,Mobilität von morgen’ zu reden“, sagte daher StZ-Chefredakteur Joachim Dorfs am Freitag zu Beginn einer gleichnamigen Gesprächsrunde beim VDA, dem Verband der Automobilindustrie in Berlin. Im Ziel waren sich Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) und der Friedrichshafener ZF-Chef Wolf-Henning Scheider einig – nicht aber über den Weg dorthin.

 

Industrie kommt die 35-prozentige CO2-Senkung zu schnell

Der Industrie kommt das neue 35-Prozent-Ziel für das Jahr 2030, das Europaparlamentarier noch anheben wollen, zu schnell – zumal die Position der EU-Kommission wie der Bundesregierung nur ein Minus von 30 Prozent vorgesehen hatte. Der ZF-Vorstandsvorsitzende nannte als realistischen Zeitpunkt, zu dem die am Verbrennungsmotor hängenden Werke seines Zulieferkonzerns auf neue Antriebstechniken umgestellt sein könnten, das Jahr 2035: „Sie finden in der Autobranche keinen, der gegen diesen Pfad ist“, so Scheider über den Klimaschutz, „es geht uns allein um die kurze Zeitspanne und Abruptheit.“

Der Grüne Hermann entgegnete, dass zur Einhaltung der internationalen Klimaziele noch höhere Reduktionsziele festgelegt werden müssten – und bei einem geringeren Beitrag der Autoindustrie an anderer Stelle CO2 eingespart werden müsse, etwa über Tempolimits. Auch die jüngste Feststellung von VW-Boss Herbert Diess, dass der Brüsseler Beschluss 100 000 Arbeitsplätze allein in seinem Unternehmen gefährde, konterte der Minister: „Sind die Ziele zu lasch, kostet das mehr als 100 000 Jobs.“ Nur innovative, saubere Fahrzeuge würden in Zukunft noch wettbewerbsfähig sein und neue Arbeitsplätze etwa bei Mobilitätsdienstleistungen generieren, so Hermann: „Manchmal ist kurzfristiges Lobbyinteresse langfristig ein Eigentor.“ Die deutschen Autobauer sollten, statt zu klagen, von Toyota das Motto „Nichts ist unmöglich“ übernehmen – und etwa schneller als bisher Elektrobusse zur Schadstoffreduzierung in den Städten bereitstellen.

Transformationskurs voll angenommen

Das wollte ZF-Boss Scheider so nicht stehen lassen. Sein Unternehmen habe den Transformationskurs voll angenommen und investiere in den nächsten fünf Jahren zwölf Milliarden Euro in Elektromobilität und autonomes Fahren. Dem Einwand von Dorfs, ob man nicht etwa die Entwicklung von Hybridantrieben wie beim Toyota Prius verschlafen habe, stimmte Scheider zu, er ergänzte aber: „Das Angebot ist jetzt ganz massiv in Vorbereitung.“ VDA-Chef Bernhard Mattes sagte dazu, dass weltweit jedes dritte E-Mobilitäts-Patent in Deutschland angemeldet werde – und den Kunden in zwei Jahren drei Mal rund 100 Elektroautomodelle und damit drei Mal so viele wie heute angeboten werden würden.