Angesichts des Organmangels ist es fatal, dass die Widerspruchslösung abgelehnt wurde, sagt Heiko Burrack, der selbst eine Niere gespendet bekam.
Freiburg - Heiko Burrack (52) wohnt in Freiburg und arbeitet als Berater für Werbeagenturen. Als Abiturient brach bei ihm infolge einer verschleppten Grippe eine Autoimmunerkrankung aus, die seine Nieren befiel. Mehr als sieben Jahre musste er auf ein Ersatzorgan warten. Seit der erfolgreichen OP führt er ein „nahezu normales“ Leben und feiert jährlich am 21. Februar seinen „Nierengeburtstag“.
Herr Burrack, der Bundestag hat mehrheitlich abgelehnt, dass jeder Bürger Organspender wird, wenn er dem nicht zuvor widerspricht. Sind Sie enttäuscht über den Beschluss?
Ja, und ich bin auch überzeugt, dass wir die Diskussion über die Widerspruchslösung in einigen Jahren wieder führen werden. Wir werden weiterhin zu den wenigen Ländern in Europa gehören, die Organe aus anderen Ländern importieren müssen. Weil es uns offenbar an Solidarität fehlt, sind wir auf die Spendenbereitschaft anderer angewiesen. In Schweden ist mit der Einführung der Widerspruchslösung vor Kurzem die Zahl der Spenden deutlich gestiegen. Die Situation für Patienten, die in Deutschland auf Organspenden angewiesen sind, ist katastrophal. Viele sterben, obwohl sie leben könnten. Wir hätten die Widerspruchslösung einfach ausprobieren müssen, um zu sehen, ob sie funktioniert, anstatt weiter nur zu reden.
Sie sind durch eine Nierenspende gerettet worden und geben in Ihrem Buch „Leben hoch zwei“ Antworten auf Fragen zu Organspende und Transplantation. Welches Argument der Gegner einer Widerspruchslösung lassen Sie noch am ehesten gelten?
Für die Angehörigen ist die Akzeptanz des Hirntods ein großes Problem, hier liegt die Schwierigkeit, einer Organspende zuzustimmen. Dass der Hirntod zweifelsfrei festgestellt werden kann, steht außer Frage. Allerdings sieht der Hirntote aus wie ein Schlafender, nicht wie eine Leiche. Und man soll dem Arzt in dieser Ausnahmesituation glauben, dass der geliebte Mensch tot ist. Man soll plötzlich eine Entscheidung treffen, mit der man sich vorher noch nie beschäftigt hat. Wenn man der Spende aktiv widersprechen muss, entscheide ich unter anderen Vorzeichen. Wenn ich als Patient in Deutschland aber das Recht habe, auf die Warteliste für ein Organ zu kommen, darf die Gesellschaft auch jedem eine Entscheidung zumuten, ob er im seltenen Fall eines Hirntods Spender sein will.
Die Zahl der Spenden ist in Deutschland rückläufig. Woran liegt das?
Das größte Problem besteht darin, dass bis vor Kurzem die Kosten nicht komplett gedeckt waren, die damit für die Krankenhäuser verbunden sind. Die Gespräche mit den Angehörigen, die fundierte Hirntoddiagnose, die mehrstündigen Operationen bei einer Multiorganspende – das alles sind personal- und kostenintensive Vorgänge, die finanziert sein müssen. Das Anreizsystem ist nach aktueller Gesetzeslage deutlich verbessert. Das war ein großer Schritt. Nun müssen diese Verbesserungen auch in der Praxis der Kliniken verankert werden.
Sie haben Gespräche mit Angehörigen von Spendern geführt und mit Eltern, deren Kinder auf ein Organ warten. Was ist Ihnen besonders in Erinnerung?
Dahinter stecken viele schlimme Schicksale, die mich alle sehr berührt haben. Meine Dankbarkeit gegenüber meinem Spender ist immens, es vergeht kein Tag, an dem ich nicht daran denke. Gewachsen ist durch die Gespräche meine Demut gegenüber denen, die solche Entscheidungen für eine Organspende treffen. Das finde ich großartig.