Die Stadt erlässt strengere Richtlinien für die Flut von Veranstaltungen im Zentrum der Stadt.

Böblingen: Marc Schieferecke (eck)

S-Mitte - Die einen wollen gleich den Gazastreifen befreien, die anderen nur Mozzarella verkaufen. Von allen erdenklichen Seiten „ist das Interesse in den vergangenen Jahren stetig gestiegen“, sagt Ralf Maier-Geißer vom Ordnungsamt – das Interesse, auf Straßen und Plätzen für gleich welches Anliegen bei Passanten zu werben. Dafür hat Maier-Geißer ein neues Regelwerk erarbeitet – ein strengeres.

 

Als zentrales Beispiel, dass der Werbeeifer gebremst werden soll, gilt der Kronprinzplatz. Das Marktgeschrei aus Reklamelastern und sogar Bierzelten hat einen Pegel überschritten, der letztlich auch im Rathaus gehört und als unzumutbar für die Anlieger erkannt wurde. Zuvor hatten die Beschwerden aus der Nachbarschaft ein Maß erreicht, dass sogar Einzelhändler die Pachtverträge für ihre Läden gekündigt hatten, weil sich Kunden bestenfalls noch im Slalom zu ihren Schaufenstern durchschlängeln konnten (wir berichteten).

Neue Ge- und Verbote sollen zumindest die Auswüchse kappen. Die Fläche, auf denen Zelte, Buden oder Fahrzeuge stehen dürfen, schrumpft um rund ein Viertel auf 318 Quadratmeter. Zudem wird sie in der Mitte des Platzes konzentriert, so dass der Weg entlang der Schaufensterfronten der ansässigen Läden und Gastronomen frei bleibt. Veranstalter dürfen den Platz nur noch zweimal jährlich buchen.

Veranstaltungen dürfen maximal drei Tage dauern

„Das ist sonst wie ein Wanderzirkus“, sagt Maier-Geißer, „die kommen auch achtmal im Jahr, wenn Sie sie lassen“. Dies gilt insbesondere für einen italienischen Spezialitätenmarkt. Wer regelmäßig in Stuttgart Ware verkaufen will, möge „sich einen Laden mieten, statt öffentliche Fläche zu belegen“, sagt die Bezirksvorsteherin Veronika Kienzle.

Keine Veranstaltung darf mehr länger als drei Tage dauern. Ein Tag für den Auf- oder Abbau kommt hinzu. Insbesondere, damit der Reklamerummel nicht bei der Arbeit in den umliegenden Büros stört, dürfen Lautsprecheranlagen nur noch nach 17 Uhr zur Beschallung benutzt werden. Straßenfußball- oder Beachvolleyballturniere dürfen aus gleichem Grund frühestens um 16 Uhr angepfiffen werden. Dies gilt für jeden Standort. Um 22 Uhr gilt in der gesamten Stadtmitte grundsätzlich: Musik aus. Dies auch „bei Veranstaltungen, bei denen es mir manchmal weh tut“, sagt Maier-Geißer, „beispielsweise beim Festival der Kulturen“.

Um den Andrang generell zu begrenzen, sollen Interessenten auch auf den Wilhelms-, den Mailänder- und den Pariser Platz verwiesen werden. Bisher war der Kronprinzplatz der einzige, auf dem kommerzielle Veranstaltungen erlaubt waren.

Ortsansässige Händler haben kleinere Vorteile

Grundsätzlich soll jede Art von Rummel künftig großflächiger über das Stadtzentrum verteilt werden. Das gilt von der Parteienwerbung bis zum Auftritt von Straßenmusikanten. Bisher verteilen sich die freigegebenen Standorte vorwiegend auf der Königstraße und um sie. Nach der Eröffnung der Einkaufszentren Milaneo und Gerber böten sich zusätzliche Standorte an, weil die Fußgängerströme sie ebenfalls verteilt hätten, ist in dem Papier zu lesen. Auch hierbei lässt sich der Wille zur Eindämmung erkennen, denn die Zahl der Standorte ist trotz des Mehr an Möglichkeiten unverändert.

Ortsansässige Händler werden in dem Regelwerk mit einigen kleineren Vorteilen bedacht. Sie dürfen aus Anlässen wie Jubiläen vor ihren Geschäften für sich werben und überdies Passanten befragen, was ansonsten ausschließlich auf dem Kronprinzplatz erlaubt ist.

Beschwerden aus der Vergangenheit über aufdringliche Werber für ihre Anliegen, insbesondere Salafisten auf dem Schlossplatz, die Passanten bis hinein in Geschäfte verfolgten, werden trotz der neuen Ge- und Verbote wohl weiterhin im Rathaus eingehen. „Wir sind eine Ordnungsbehörde, die vorwiegend zuständig ist, den Weg von A nach B freizuhalten hat“, sagt Maier-Geißer, „die Qualität von Veranstaltungen zu bewerten, steht uns rein rechtlich nicht zu.“