Waschen, Wunden verbinden, Patienten trösten im Akkord: Die Stationsleiterin der Sindelfinger Kardiologie hat genug. Sie fordert einen besseren Pflegeschlüssel für Kliniken. Im internationalen Vergleich stehe Deutschland schlecht da.

Sindelfingen - Tanja Pardela ist mit Leib und Seele Krankenschwester. Seit 25 Jahren pflegt sie kranke Menschen. Und ihr Engagement ist noch immer ungebrochen. Das ist selten in einem Berufsfeld, in dem viele Mitarbeiter nach wenigen Jahren aufhören oder bestenfalls in Teilzeit gehen. Tanja Pardela arbeitet noch immer Vollzeit. Und mit ungebrochener Begeisterung.

 

Doch jetzt platzte ihr der Kragen: wegen der aus ihrer Sicht unhaltbaren Zustände in deutschen Krankenhäusern. „Mir wird es schlecht, wenn von Politikern im Fernsehen immer betont wird, wie reich Deutschland ist. Wo ist dann das Geld für eine vernünftige Pflege?“ Sie schildert ihren Arbeitsalltag als Leiterin der drei Stationen der Sindelfinger Kardiologie. „Zwei Kräfte für 26 Patienten, mindestens die Hälfte davon braucht Hilfe beim Waschen, Aufstehen, Essen. Nachts gibt es nur eine Pflegekraft für 26 Patienten.“ Dies hat sie dem Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) geschrieben. Sie erhielt eine „ellenlange Standardantwort“ eines Mitarbeiters. Pardela legte nach und schrieb erneut. Seit drei Wochen wartet sie auf eine Antwort.

In England hatte Schwester Tanja nur halb soviele Patienten

Tanja Pardela weiß, dass es in Krankenhäusern auch ganz anders zugehen kann als in der Sindelfinger Klinik, die sich nicht von anderen deutschen Krankenhäusern unterscheidet. Zehn Jahre hat die 46-Jährige in England gearbeitet. Das englische Gesundheitssystem hat einen schlechten Ruf. Tanja Pardela hat ganz andere Erfahrungen gemacht. „In England ist eine Pflegekraft für sechs bis acht Patienten zuständig, in Deutschland für doppelt so viele. Ich war geschockt, als ich vor einem Jahr aus England zurückgekehrt bin. Seit meiner Ausbildung ist es in Deutschland in der Pflege noch schlechter geworden.“

Diese subjektive Einschätzung kann ihre Chefin Elvira Schneider, die Pflegedirektorin des Klinikverbunds Südwest, mit Zahlen des Bundesverbands Pflegemanagement untermauern. Zwischen 1995 und 2015 sei die Zahl der Pflegekräfte in deutschen Kliniken um 8,5 Prozent zurückgegangen, gleichzeitig aber die der Fallzahlen um 20 Prozent gestiegen. Die Folge: Stress und Hektik für die Schwestern, Fließbandabfertigung für die Patienten. Und Schneider fügt an: „Im internationalen Vergleich liegt Deutschland beim Pflegeschlüssel auf dem vorletzten Platz.“

Das neue Gesetz ändert nichts

Doch nun soll ja alles besser werden. Minister Spahn hat ein Pflegepersonalstärkungsgesetz auf den Weg gebracht. Dieses soll Anfang des kommenden Jahres in Kraft treten und den Kliniken mehr Personal bescheren. Künftig sind bestimmte Untergrenzen an Pflegekräften festgeschrieben. Doch genau dieses Gesetz ist es, das Pardela auf die Barrikaden treibt. „Ein Witz“ sei das. „Statt bisher zwölf betreue ich künftig nur noch elf Patienten.“ So könne man keine neuen Mitarbeiter gewinnen.

Das ist das eigentliche Problem. Es fehlt landauf, landab an Schwestern und Pflegern. Eine Folge der schlechten Arbeitsbedingungen, meint Pardela. Das neue Gesetz sei zwar gut gemeint, aber wenig hilfreich, die Attraktivität des Pflegeberufs zu verbessern. Pardela hat dazu durchaus Vorschläge. „Orientieren Sie sich beim Pflegeschlüssel an internationalen Standards“, sagt sie dem Minister. Und fordert ihn auf: „Sprechen Sie mit uns. Wir Pfleger sind die Experten.“

Vielleicht hat Pardela ja im kommenden Jahr die Gelegenheit zu einem persönlichen Gespräch mit Spahn. Dieser hat laut Jörg Noetzel, dem Geschäftsführer des Klinikverbunds Südwest, seinen Besuch für April angekündigt. Dann wird Tanja Pardela in der ersten Reihe stehen. Und sie wird Spahn erzählen, warum sie Krankenschwester ist: „Ich kann heilen, habe viel Kontakt zu Menschen, viel mit Technik zu tun, lerne ständig Neues.“ Einen schöneren Beruf kann sich Pardela nicht vorstellen.