Die Hochzeit wird häufig glorifiziert. Manche Paare brechen unter dem Druck zusammen. Hochzeitsplanerin Miriam Haab weiß, wie man die Nerven behält.

Volontäre: Sandra Belschner (sbr)

Es fing alles an, wie man es aus Märchen oder romantischen Kindheitsträumen kennt: Erst kam der Antrag im Kreta-Urlaub, dann die Zusage für die Traumlocation und ein paar Wochen später der Besuch im Brautmodenladen. „Dort habe ich den äußeren Druck zum ersten Mal bewusst wahrgenommen“, erzählt die 31-jährige Jasmin, die ihren Nachnamen nicht in der Zeitung lesen möchte, „ich hatte genaue Vorstellungen davon, wie mein Kleid aussehen soll, aber meine Schwiegermama hatte andere Wünsche. Ich war mir in meiner Meinung sicher, wollte sie aber auch nicht enttäuschen.“ Als die Braut ihrem Verlobten davon erzählt, kommt es am selben Abend zum Streit. Fehlendes Verständnis sei der Auslöser gewesen. Seine Erwähnung, dass das Kleid bloß nicht zu teuer sein dürfe, brachte das Fass dann zum Überlaufen. „Eigentlich ist das ja der Punkt bei der Planung, auf den man sich am meisten freut“, sagt Jasmin, „aber für mich war das ab dem Tag nur noch ein stressiges Thema.“

 

Im Vorfeld hatte ihre Schwiegermutter ihr angeboten, das Brautkleid zu zahlen. „Sie hat selbst nicht viel Geld, und ich war sehr dankbar für das Angebot, weil auch unser Budget knapp war.“

Allerdings ging es bei der Diskussion im Brautmodenladen gar nicht ums Geld: „Das Kleid, das sie für mich wollte, war sogar teurer als mein Favorit.“ Für die Schwiegermama sei klar gewesen: Sie finanziert den Traum in Weiß, also hat sie auch ein Mitspracherecht. „Mit Mitspracherecht hatte das aber nicht mehr viel zu tun. Bis heute bereue ich es, dass ich sie an diesem Tag überhaupt mitgenommen habe, weil ich den Tag dadurch nicht richtig genießen konnte. Aber irgendwie habe ich mich gezwungen gefühlt.“

Ihr 32-jähriger Verlobter, der schon immer ein sehr enges Verhältnis zu seiner Mutter hatte, konnte ihren Ärger nicht verstehen, es fielen Sätze wie „Meine Mutter hat doch einen guten Geschmack, vertrau ihr“, bei ihr liefen Tränen. „Ich hatte das Gefühl, dass es gar nicht mehr um uns ging, dabei soll es doch genau darum bei einer Hochzeit gehen“, erzählt die zukünftige Braut. Am Ende einigten sie sich auf ein Kompromiss-Kleid: „Aber das Thema schleppten wir drei noch eine Weile mit uns herum und der Druck war während der ganzen Planung deutlich spürbar.“

Budgetplanung ist ein großer Streitpunkt

Miriam Haab kennt viele Fälle wie diesen. Die gelernte Schauwerbegestalterin organisiert zusammen mit ihrem Team seit zehn Jahren Feiern rund um das Ja-Wort – von der ersten Idee der Tischdeko bis zur Vorort-Betreuung an der Hochzeit selbst. So weit, so normal. Doch seit Kurzem bietet sie neben der klassischen Hochzeitsplanung auch Mental-Programme für Brautpaare an.

„Wir haben in den letzten zehn Jahren die Erfahrung gemacht, dass Brautpaare, die viel selbst machen, immer wieder aneinandergeraten und sich irgendwann nur noch streiten. Ich saß schon vor Paaren, die sich nur noch angezickt haben“, sagt Haab. Die Gründe dafür seien bei den meisten Paaren ähnlich: Ungenaue Kostenkalkulation, auseinandergehende Vorstellungen, äußerer Druck – aber vor allem fehlende Kommunikation. Dass bei den Hochzeitsvorbereitungen „nicht immer alles rosarot ist“ und die Planung auch viel Konfliktpotenzial birgt, ist für viele Paare immer noch ein großes Tabuthema, wie Haab berichtet.

Ein großer Teil des Mental-Programms für Brautpaare sind deshalb Gespräche über die Vorstellungen zur anstehenden Hochzeit und welche davon umgesetzt werden können. Dabei helfen der Hochzeitsplanerin ihre langjährige Erfahrung und ihre Fortbildung zur Mental-Trainerin: „Ich biete den Paaren eine Kommunikationsmöglichkeit, wo man unter anderem auch bespricht, wie unterschiedlich Frauen und Männer bei diesem Thema denken.“

Dabei seien die äußeren Einflüsse, mit denen Braut und Bräutigam in dieser Phase konfrontiert werden, nicht zu unterschätzen: Familie und Freunde, die „es doch nur lieb meinen“, Erfahrungen als Gast von anderen Hochzeiten, Inspirationen durch Hochzeitsmessen oder Onlinerecherche – und dann kommen auch noch die perfekten Fotos auf Instagram dazu. „Der Druck von außen hat in den letzten Jahren rapide zugenommen“, erzählt die Hochzeitsplanerin. Vergessen werde dabei aber oft, dass es sich bei den perfekten Fotos häufig um sogenannte Style-Shoots handelt – Fotos, die entstehen, weil ein professionelles Team einen Look erarbeitet, der Inspiration gibt und zeigen soll, was möglich ist.

Zwar jage nicht jede Frau dem Prinzessinnentraum hinterher, doch „90 Prozent haben die klassische Märchenvorstellung und träumen schon im Kindergartenalter davon zu heiraten“, sage ihre Erfahrung. „Für die meisten Männer kommt das Thema rund zwanzig Jahre später ein wenig plötzlicher“, erzählt Haab, „auf sie wartet dann ein Berg an Themen, mit denen sie sich noch gar nicht auseinandergesetzt haben.“ In erster Linie gehe es deshalb darum, Braut und Bräutigam auf ein „ähnliches Level zu bringen“.

„Einmal habe ich überlegt, die Hochzeit abzusagen“

Auch Jasmin hat während der Planungsphase bemerkt, dass ihr Partner sich über vieles keine Gedanken machte, während sie schon vor dem Antrag Pinterest-Boards erstellt hatte, also verschiedene Fotos im Internet zeigte. Am Anfang habe sie das für fehlendes Interesse gehalten, dann aber gemerkt, dass für ihn das alles einfach neu war.

„Man unterschätzt total, wie viele Meinungen bei diesem Thema auf einen einprasseln“, sagt Jasmin, „ich habe mich teilweise wie ein Fähnchen im Wind gefühlt und wollte es jedem recht machen. Mein Partner hat das alles besser abschotten können. Das hat mich dann noch mehr gestresst.“ Probleme beim Schlafen habe sie während dieser Zeit gehabt, weil sie auch nachts die Gedanken an die Hochzeit nicht abschalten konnte. „Einmal lag ich nachts wach und habe überlegt, die Hochzeit abzusagen, weil mir einfach alles zu viel war“.

Wie schnell einstige Traumvorstellungen in Unsicherheiten und Zweifel umschwenken können, beobachtet Miriam Haab immer wieder in ihrem Studio – und rät dann zu mehr Selbstreflexion und dazu, sich auf seine eigenen Bedürfnisse und Wünsche zu konzentrieren.

Mit Yoga-Übungen zur entspannten Hochzeitsplanung

Um dem Druck standzuhalten, bietet die Hochzeitsplanerin in ihrem Mental-Programm auch Entspannungsübungen, wie beispielsweise Muskelrelaxation oder angeleitete Traumreisen, die ein wenig an Hypnose erinnern. Das Brautpaar begibt sich dabei gedanklich in eine Art Fantasiewelt und stellt sich unter anderem die gemeinsame Zukunft vor. Im Fokus dabei stehe immer die Fragen: Was möchte ich eigentlich? Was passt zu uns? Äußere Meinungen und Einflüsse sollen dadurch besser abgeschirmt und das Vertrauen auf die eigene Stimme gefördert werden. „Durch solche mentalen Übungen kann man das Gehirn ein bisschen umprogrammieren und je öfter man das macht, desto klarer werden die eigenen Gedanken“, so Haab.

Weil die Hochzeitsplanerin großen Bedarf sieht, sollen Yoga-Einheiten mit einer entsprechenden Trainerin das Mental-Programm in Zukunft ergänzen.