Die Projektgegner beklagen, sie seien nicht in die Betriebssimulation einbezogen worden und sehen den Geist der Stuttgart-21-Schlichtung verletzt.

Stuttgart - Das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 bekräftigt seine Drohung, die für den 14.Juli vorgesehene öffentliche Präsentation des Stresstests für das umstrittene Bahnprojekt zu boykottieren. „Der Zeitplan ist für uns völlig inakzeptabel“, sagte der Bündnissprecher und SÖS-Stadtrat Hannes Rockenbauch am Freitag vor der Presse. Ohne ein substanzielles Einlenken der Bahn und ohne eine transparente, frühzeitige und ergebnisoffene Beteiligung am Stresstest werde das Bündnis nicht an der öffentlichen Schlichtung über die Ergebnisse des Stresstests teilnehmen. „Das Prinzip ,alle Fakten auf den Tisch‘ wurde von der Bahn verletzt, und das hat zur Folge: nicht alle an den Tisch“, erklärte Rockenbauch und fügte hinzu: „Unsere Bedingungen sind eindeutig – werden sie von der Bahn erfüllt, nehmen wir am Tisch Platz.“ Für eine „öffentlichkeitswirksame Schauveranstaltung der Bahn“ stehe man aber nicht zur Verfügung, ergänzte der Landesgeschäftsführer des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND), Berthold Frieß.

 

Es sei verabredet worden, dass neben dem Schweizer Verkehrsgutachterbüro SMA auch das Aktionsbündnis an der Erarbeitung der Prämissen, die die Grundlage der Betriebssimulation bilden, beteiligt werde, so Rockenbauch. Tatsächlich teilte das S-21-Kommunikationsbüro aber erst am Freitag mit, dass die Bahn neben den Projektpartnern Land, Stadt und Region auf Anregung von S-21-Schlichter Heiner Geißler nun auch der BUND-Landesvorsitzenden und Bündnisvorsitzenden Brigitte Dahlbender den Abschlussbericht über die Ergebnisse des Stresstests zugestellt habe, um damit für größtmögliche Transparenz zu sorgen. Wesentlich ist für die Projektgegner auch die Prüfung der Leistungsfähigkeit des bestehenden Kopfbahnhofs durch einen eigenen Stresstest – eine Forderung, die auch schon der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) an die Bahn gerichtet hatte. Rockenbauch räumte allerdings ein, dass ein solcher Stresstest II nicht Bestandteil des Schlichterspruchs von Heiner Geißler gewesen sei.

Aktionsbündnis: Drei Stunden sind zu wenig

Zu guter Letzt benötige das Aktionsbündnis mindestens drei Wochen Zeit, um das Stresstestergebnis von unabhängigen Experten prüfen zu lassen. Der Zeitraum von sechs Stunden für die vorgesehene Präsentation am 14. Juli nachmittags sei viel zu gering, kritisierten die Vertreter des Aktionsbündnisses zudem. Dies sei der Komplexität der Materie nicht angemessen. Die Bahn hatte angekündigt, am 15. Juli weitere Bauaufträge in dreistelliger Millionenhöhe vergeben zu wollen.

BUND-Geschäftsführer Frieß, der die Landesvorsitzende und Co-Bündnissprecherin Brigitte Dahlbender vertrat, kritisierte, dass die Bahn das Aktionsbündnis beim Stresstest nicht mit ins Boot geholt habe: „Wie sollen wir adäquat reagieren, wenn wir nicht frühzeitig einbezogen werden?“, fragte er. Frieß verwies auf eine schriftliche Zusage des Bahnvorstands Volker Kefer gegenüber dem Grünen-Landtagsabgeordneten und Mitglied im Aktionsbündnis Werner Wölfle. Darin hatte Kefer noch kurz nach der Schlichtung am 21.Dezember 2010 erklärt, nach der Eingabe der Infrastrukturdaten und des Fahrplans für S 21 sei man „gerne bereit, Randbedingungen und Daten nicht nur der SMA, sondern auch Ihnen für eine Überprüfung zur Verfügung zu stellen, sowie die Ergebnisse wieder öffentlich miteinander zu diskutieren“. Ende Februar hatte Kefer diese Zusage in einem weiteren Brief an Wölfle wieder relativiert. Darin hieß es, man halte sich an das in der Schlichtung vereinbarte Verfahren, wonach der Stresstest von der Bahn durchgeführt und von SMA begutachtet werde.

Welches Ergebnis die Computersimulation für den Tiefbahnhof aus Sicht der organisierten Projektgegner erbringen muss, machte Klaus Arnoldi vom Verkehrsclub Deutschland deutlich. Stuttgart21 müsse in der Lage sein, Zugverspätungen abzufangen sowie Anschlüsse auch bei kleineren Verspätungen einzuhalten. Auftretende Störungen wie unplanmäßige Stopps von S-Bahnen im Tunnel müssten zumindest in der gleichen Qualität bewältigt werden wie im Kopfbahnhof. Schließlich müssten alle Regionalzüge mit konventioneller Signaltechnik fahren können, da es unrealistisch sei, dass die gesamte Flotte nur wegen S 21 auf die neue und teure ECTS-Signaltechnik umgerüstet werde. Selbst wenn all diese Anforderungen erfüllt würden, will das Aktionsbündnis trotzdem weiter für seine Ausbauvariante des Stuttgarter Bahnknotens, die Modernisierung des Kopfbahnhofs, kämpfen. „Wir lehnen auch Stuttgart 21 plus ab“, betonte Hannes Rockenbauch am Freitag erneut – zumal die Bahn eine ganze Reihe weiterer Hausaufgaben nicht erledigt habe. Bevor weitergebaut werden dürfe, müsse Klarheit über alle noch offenen Genehmigungsfragen und Kostenrisiken bestehen.