Beim S-Bahn-Fahrplan für Stuttgart 21 drohen zu kurze Halte und Anschlussprobleme. Die Betriebsqualität wird von den Gegnern angezweifelt.

Stuttgart - Bei dem im Stresstest für Stuttgart 21 erstellten Fahrplan für die S-Bahn nach dem Bau des Tiefbahnhofs kann nach Ansicht der Gegner des Schienenprojekts nicht mehr von einer - wie in der Schlichtung verlangt - guten Betriebsqualität die Rede sein. "Die kommt wegen Anschlussproblemen und zu kurzen Umsteigezeiten unter die Räder", sagt Matthias Lieb, der Landesvorsitzende des Verkehrsclubs Deutschland (VCD). Im unterirdischen Hauptbahnhof werde die Haltezeit für alle S-Bahnen mit einer planerischen Untergrenze von 30 Sekunden praktisch mindestens halbiert. Der Verband Region Stuttgart (VRS) hält die Simulation für die S-Bahn dennoch für eine diskussionswürdige Grundlage. "Das bedeutet aber nicht, dass wir überall einfach einen Haken dranmachen", sagt Verkehrsdirektor Jürgen Wurmthaler. "Anschlüsse müssen eingehalten werden." Die Fahrplansimulation müsse deshalb in den nächsten zehn Jahren für die betriebliche Praxis noch feinjustiert werden.

 

Im Stresstest hat die Bahn bei der Simulation des S-Bahn-Verkehrs laut VCD einen kompletten Linientausch vollzogen. So verkehrt die S-Bahn-Linie 1 nicht mehr zwischen Herrenberg und Kirchheim/Teck, sondern künftig nur noch von Kirchheim bis zur Schwabstraße. Auch die Linien S 2 (heute Schorndorf-Flughafen-Filderstadt ) und S 3 (heute Backnang-Flughafen-Filderstadt) enden im Planspiel Stuttgart 21 im Westen. Stattdessen bedient die S-Bahn-Linie 4 die Strecke Backnang- Flughafen-Filderstadt, die S 5 verkehrt zwischen Bietigheim-Bissingen und Herrenberg, und die Züge der S6 rollen zwischen Weil der Stadt und Flughafen.

Eine zusätzliche Haltestelle ist geplant

Diese Veränderung in den über Jahrzehnte eingespielten Verbindungen ist für den Bahnkritiker Lieb durch die zusätzliche S-Bahn-Haltestelle Mittnachtstraße zwischen Hauptbahnhof und Bad Cannstatt bedingt. "Mit diesem Halt sollte ursprünglich neben der Erschließung des neuen Stadtteils auch die Übereck-Verbindung zwischen den S-Bahnen in Richtung Bad Cannstatt und Nordbahnhof für 20.000 Umsteiger verkürzt werden." Tatsächlich ergebe sich aber eine Fahrzeitverlängerung von rund zwei Minuten für 170.000 S-Bahn-Nutzer . "Außerdem müssen außerhalb des 15-Minuten-Taktes im Berufsverkehr 10.000 Umsteiger länger auf ihre S-Bahn warten", so der Kritiker.

In Herrenberg kommt es laut Lieb zum Anschluss-GAU, wenn die Fahrplansimulation der Bahn zur Wirklichkeit werden sollte. "Dann kommt die S 5 eine Minute später in Herrenberg an, fährt aber bereits eine Minute früher wieder ab. Statt einem 30-minütigen Anschluss besteht dann nur noch ein stündlicher Anschluss an die Ammertalbahn." Auch in Schorndorf, wo es heute gute Anschlüsse an die Wieslauftalbahn gebe, drohe ein Anschlussengpass. "Zudem wird der zeitliche Puffer, der notwendig ist, um Verspätungen ausgleichen zu können, überall kleiner."

Die zu kurzen Haltezeiten werden bemängelt

Lieb bemängelt vor allem die in der Simulation "viel zu kurze Haltezeit von 30 Sekunden" für S-Bahnen im Hauptbahnhof. An normalen Stationen rechne die Bahn in der Simulation sogar mit Haltezeiten von nur 20 Sekunden. "In der täglichen Praxis mit Pannen und Verspätungen funktioniert das niemals." Ohne jeden Praxisbezug ist für den Bahnkritiker auch die Wendezeit von einer Minute in Kirchheim/Teck. "Dort kommt die S 1 zur Minute 28 an und soll in der Minute 29 abfahren. Verspätungen übertragen sich damit direkt auf die nächste Fahrt."

Für die VRS-Nahverkehrsexperten ist klar, dass die S-Bahnen künftig wegen der neuen Haltestelle Mittnachtstraße länger unterwegs sind. "Es muss aber zeitlich vernünftige Anschlüsse im ganzen S-Bahn-Netz geben", fordert Wurmthaler. Wegen der knappen Wendezeit in Kirchheim könnten zusätzliche S-Bahnen und mehr Personal notwendig sein. Daraus resultierende Mehrkosten dürften aber nicht der Region angelastet werden.

Die Bahn äußerte sich auf Anfrage nicht zu der Kritik an der Fahrplansimulation. Man habe sich mit den Projektgegnern darauf verständigt, dass das Gutachterbüro SMA den Stresstest bewerte, erklärte S-21-Projektsprecher Wolfgang Dietrich. "Und daran halten wir uns auch."