Beim Thema Fahrverbote spricht die CDU mit vielerlei Stimmen.

Stuttgart - Wer den CDU-Landesvorsitzenden Thomas Strobl am Montag über Fahrverbote reden hörte, sollte nicht meinen, dass dieses Thema seine Partei gerade aufs Äußerste strapaziert. Ja, man sei auf gutem Weg, nicht auch noch Euro-5-Diesel aus Stuttgart aussperren zu müssen, sagte er nach einer Sitzung des Landesvorstands. Nein, es gebe keinen Dissens über den Kurs. Dass der Chef des CDU-Mittelstands den Grünen-Verkehrsminister ins Gefängnis wünscht, dass gestandene Unionsabgeordnete von Ökostalinismus reden und bei Pro-Diesel-Demos mitmarschieren, dürfe man „nicht auf die Goldwaage legen“.

 

Auch CDU-Generalsekretär Manuel Hagel, sonst nie um einen Seitenhieb verlegen, wiegelte ab: „Unterschiede in Sachfragen“ seien doch völlig normal, Debatten gehörten zur Demokratie. Allenfalls den milden Tadel, es sei über Monate bei der Stickoxidvermeidung zu wenig geschehen, ringen sich die beiden ab. Aber nun sei ja Dynamik in die Sache gekommen, seit der Koalitionsausschuss vor zwei Wochen eine schnellere Umsetzung der Luftreinhaltemaßnahmen angemahnt habe.

Erneute Klage über Hermann

Man nennt so etwas wohl die Kunst der dosierten Entrüstung. Strobl weiß nur zu gut, dass das Fahrverbot für Euro-4-Diesel an der Basis erheblichen Unmut erregt – und außerdem die Befürchtung nährt, dass die Partei dafür bei den Kommunalwahlen Ende Mai einen Denkzettel erhält. Da kommen ihm einige radikale Zwischenrufe à la „Hermann ins Gefängnis“ gar nicht so ungelegen. Gleichzeitig darf er den Bogen nicht überspannen. Wer etwa den Skalp des ungeliebten Verkehrsministers fordert, riskiert einen Koalitionsbruch. An Kretschmann aber würde sich die CDU momentan verheben. Also muss Strobl beides tun: sowohl drängeln als auch besänftigen.

Wie zerrüttet das grün-schwarze Zweckbündnis ist, zeigen schon kleinere Episoden. So wurde am Wochenende in CDU-Fraktions- und Regierungskreisen darüber gemurrt, dass Hermann angeblich die Frist verstreichen ließ, bis zu der er die Standorte der zusätzlichen Stuttgarter Luftmessstellen benennen sollte. In diese neuen Messungen setzt die CDU hohe Erwartungen, seit München damit den Stickoxid-Mittelwert beträchtlich verringern konnte. „Bis heute Nachmittag liegt der Fraktion jedoch immer noch nichts vor“, erklärte die Parlamentarische Geschäftsführerin Nicole Razavi am Montag: „Wir sind verärgert, dass das Verkehrsministerium damit erneut unnötig und absprachewidrig verzögert.“

Streckenbezogenes Fahrverbot?

Geliefert habe Hermann sehr wohl, heißt es andererseits bei den Grünen – und zwar ans Staatsministerium, das die Daten am Wochenende ans Innenministerium übermittelt habe. Hakt es also zwischen Strobl und der Fraktion? Das wäre nicht das erste Mal. Es sei Vertraulichkeit vereinbart worden, gab Strobl wortkarg auf die Frage zurück, ob er denn die Liste nun vorliegen habe. Bei ihm seien keine Beschwerden über Hermanns Versäumnis angekommen.

An diesem Dienstag will die Koalitionsspitze nun erneut beraten, mit welchen Maßnahmen die Luft in Stuttgart besser gemacht werden kann – und vor allem: wie schnell. Die Liste sieht zum Beispiel das Aufbringen von „fotokatalytischer Farbe“ an Fassaden und einer Lärmschutzwand vor. Allerdings ist noch nicht geklärt, ob das zur Bindung von Stickoxiden verwendete Titandioxid gesundheitsgefährlich ist. Und mehrere Wochen wird es auch dauern, bis die Firma Audi eine neuartige Filteranlage in der Stadt aufstellen kann.

Man werde jedenfalls „alles, alles, alles tun“, so Strobl, um weitere Fahrverbote für Euro-5-Diesel zu verhindern. Flächendeckende Verbote gar für Euro 5 werde es mit der CDU nicht geben. Auf die Nachfrage, was flächendeckend bedeute, reagierte Strobl gereizt: „Flächendeckend heißt flächendeckend.“

Gut möglich, dass sich an diesem Wort noch ein größerer Streit entzünden wird, wenn alle anderen Maßnahmen zur Luftverbesserung nichts fruchten. Dann nämlich, so heißt es in Koalitionskreisen, müsse man letztlich doch Fahrverbote beschließen. Allerdings nicht für die gesamte Stadt, sondern nur für einzelne Strecken.