Die Stadtwerke erhalten keine Chance, sich um die Energieversorgung der Stadt zu bewerben. Angeblich könnten sie keine so große Mengen Strom und Gas liefern.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Die Energie Baden-Württemberg (EnBW) wird zumindest bis Ende 2017 den kompletten Strom- und Gasbedarf der Stadtverwaltung und aller Tochterbetriebe decken: In nichtöffentlicher Sitzung hat der Gemeinderat schon im November entschieden, den Vertrag um zwei Jahre zu verlängern. Das Pikante daran ist, dass die Stadtwerke nicht einmal die Chance hatten, ein Angebot abzugeben.

 

Zum Hintergrund: Die benötigten Mengen an Strom und Gas sind so groß, dass die Stadt ein EU-weites Ausschreibungsverfahren durchführen muss. Es geht immerhin um jährliche Kosten für Strom in Höhe von 38,5 Millionen Euro und für Gas in Höhe von 11,5 Millionen Euro. Bei der letzten Ausschreibung im Jahr 2012 hatte sich, wie man hört, aber nur die EnBW beworben. Nun hat der Gemeinderat – bei acht Enthaltungen, wohl vor allem der SÖS-Linke-Plus – beschlossen, auf eine Ausschreibung zu verzichten und statt dessen eine Option im Vertrag mit der EnBW zu ziehen.

Preise an den Energiebörsen derzeit niedrig

Bürgermeister Michael Föll (CDU) gibt dafür zwei Gründe an. Zum einen seien die Preise an den Energiebörsen gerade niedrig; indem man jetzt mit der EnBW verlängere, spare die Stadt in den zwei Jahren 2016 und 2017 rund sechs Millionen Euro. Zum anderen seien die Stadtwerke Stuttgart noch gar nicht in der Lage, ein so großes Energievolumen zu liefern. Oder, um ganz korrekt zu sein: Natürlich könnten die Stadtwerke das benötigte Kontingent an der Börse einkaufen; sollten sie aber in der Ausschreibung unterliegen, müssten sie die Energiemenge womöglich zu einem geringeren Preis weiterverkaufen: „Das wäre ein gigantisches Risiko.“ Im Moment machen die Stadtwerke pro Jahr 4,5 Millionen Euro Umsatz im Vertrieb. Mit der Stadt wäre also das Zehnfache hinzugekommen.

Allerdings: Man hört durchaus auch andere Stimmen. So sagt Christoph Ozasek von den Linken, dass die Stadtwerke schon heute Angebote für große Kunden in Stuttgart abgäben und sich deshalb zugetraut hätten, die Stadt komplett zu versorgen: „Aus unserer Sicht bestand kein Risiko.“ Schließlich habe der Vertriebspartner, die Elektrizitätswerke Schönau (EWS), auch schon mehr als 150 000 Kunden.

Grüne, SPD und CDU stimmen EnBW-Verlängerung zu

Die Stadtwerke äußerten sich zurückhaltend. Nur im Einzelfall bearbeiteten Stadtwerke und EWS „auch mit Erfolg Anfragen von Großkunden oder nehmen an Ausschreibungen für große Strommengen teil“, so ein Sprecher. Am Verfahren der Stadt sei man nicht beteiligt gewesen.

Peter Pätzold (Grüne) und Martin Körner (SPD) sahen die Argumentation der Verwaltung als überzeugend an, weshalb sie und ihre Fraktionen der Verlängerung zugestimmt haben. Auch die CDU tat dies – allerdings betont Fraktionschef Alexander Kotz, dass das Mengenproblem schon vor drei Jahren, als Stadtwerke und EWS eine Partnerschaft beim Vertrieb eingegangen waren, offensichtlich gewesen sei. Die CDU habe damals die Stadtwerke Aachen als Partner bevorzugt, auch, weil diese besser mit größeren Mengen hätten umgehen können. Dem widerspricht Parteifreund Michael Föll: „Man strickt ein wenig Legenden, wenn man sagt, andere Partner hätten es besser gekonnt.“

Vertrag mit der EnBW endet in drei Jahren

In drei Jahren endet der Vertrag mit der EnBW definitiv; dann muss ausgeschrieben werden. Föll plant, die Strom- und Gaskontingente in Lose zu teilen, damit die Stadtwerke zumindest teilweise zum Zuge kommen: „Sie werden irgendwann einen relevanten Anteil der Energie der Stadt Stuttgart liefern.“

Schon seit 2013 liefert die EnBW zu 100 Prozent Ökostrom an die Stadt – es handelt sich dabei um Energie aus heimischen Wasserkraftwerken. EWS und Stadtwerke beziehen ihren Ökostrom aus Norwegen, aber aus Anlagen, die höchstens sechs Jahre alt sind. So soll ein Impuls gesetzt werden, neue Kraftwerke zu bauen. Im Gemeinderat gab es eine kurze Diskussion darüber, ob die Qualität des Ökostroms bei EnBW und Stadtwerken unterschiedlich sei. Einigen konnte man sich nicht. Grundsätzlich sieht Michael Föll die Stadtwerke auf einem guten Weg. Ziel sei es, bis Ende 2016 etwa 20 000 Kunden zu haben – derzeit ist es rund die Hälfte. Dann komme man in die schwarzen Zahlen. „Wir waren zu Beginn zu optimistisch“, räumt Föll ein: „Aber im Vergleich zu anderen neuen Stadtwerken brauchen wir uns nicht zu verstecken.“