Einst gaben die großen Energieversorger bei den Verteilstromnetzen im Rems-Murr-Kreis den Ton an, inzwischen mischen etliche Städte und Gemeinden bei der Daseinsvorsorge mit. Vor allem die Netzgesellschaft der EnBW ist auf dem Rückzug.

Rems-Murr-Kreis - Wenn Strom auf die Reise vom Kraftwerk zum Verbraucher geht, dann legt er die letzten Kilometer in den Verteilnetzen zurück, die in den Kommunen vergraben liegen. Vor gut 15 Jahren wäre eine Karte dieser Netze für den Rems-Murr-Kreis mit wenigen Farben und Symbolen ausgekommen. Im Jahre 2016 ist die Situation, wie die Grafik zeigt, eine andere. Im Rems-Murr-Kreis ist bei den Stromnetzen jede Konstellation vertreten, die es in diesem Fall gibt: Klassische Stadtwerke, Kommunen, die sich, wie im Falle des Remstalwerks zum Rückkauf zusammengeschlossen haben sowie Kommunen, die weiterhin mit ihren früheren Netzbetreibern kooperieren. Manchen von ihnen haben die sogenannten Konzessionsverträge um 20 Jahre verlängert, andere gemeinsam mit den großen Betreibern eigene Netzgesellschaften gegründet – sie sind damit Miteigentümer und werden an den Einnahmen der Stromnetze beteiligt.

 

Stadtwerke lösen „gesellschaftlich wichtige Aufgaben“

Die Meinungen, ob sich kommunale Rückkäufe von Stromnetzen langfristig auszahlen, sind geteilt. Eigene Stadt- und Gemeindewerke könnten „einen wichtigen Beitrag zu den kommunalen Finanzen leisten und gesellschaftlich wichtige Aufgaben übernehmen“ schreibt etwa das Wuppertal Institut. Sie ermöglichten es, „Dinge auf kommunaler Ebene zu realisieren, die sonst außerhalb der kommunalpolitischen Entscheidungssphäre lägen oder die ansonsten finanziell nicht zu leisten wären.“ Fachleute verweisen darauf, dass im Stromnetz im Zuge der Umstellung auf erneuerbare Energien viele Investitionen anstünden – die Netze sollen „intelligent“ werden und das Verbrauchsverhalten steuern. Manche Stadtwerke werben zudem damit, viele Aspekte der Daseinsvorsorge abzudecken - Strom, Gas, Wasser und den Internetanschluss.

„Die Rekommunalisierung führt zur Zersplitterung der Stromnetze“ argumentieren hingegen Kritiker, die oft den großen Stromkonzernen nahestehen. Die intelligente Steuerung der Netze werde durch die Zersplitterung behindert, sagen sie. Folge der Rekommunalisierung seien „Strominseln“, welche die Nutzung von Größenvorteilen in der Stromproduktion verhinderten. Das mache „das Gesamtsystem der deutschen Stromversorgung teurer“. Zudem fielen Stadtwerke in öffentlicher Hand nicht immer durch professionelles Management auf, so die Unterstellung.

„Konzerne verteidigen ihre Besitzstände“

Der Prozess, als Kommune ein Stromnetz zu kaufen, zieht sich oft über Jahre hin. „Die großen Energieversorgungsunternehmen haben in den vergangenen Jahrzehnten zahlreiche strategische Möglichkeiten entwickelt, um ihren Besitzstand bei den Konzessionsverträgen für Strom zu verteidigen“, schreibt das Wuppertal Institut. Mehr als vier Jahre hat es beim Remstalwerk gedauert, bis für die Kommunen Kernen, Remshalden, Winterbach und Urbach alle rechtlichen Fragen geklärt und die zusätzlichen Leitungen gelegt waren, um das Netz zu „entbündeln“.

In einer ähnlichen Situation steckt zurzeit die Stadt Backnang. Dort hatte der Gemeinderat vor gut drei Jahren den Netzrückkauf beschlossen, die Verhandlungen mit der Syna GmbH liefen jedoch nach wie vor, sagt der Kämmerer der Murrstadt, Siegfried Janocha. Die Syna GmbH versuche „mit allen taktischen und rechtlichen Mitteln, die Übernahme zu verhindern“, sagt Janocha. Mit der Netzübernahme in Backnang werde es mindestens noch ein Jahr dauern. Die Syna, die mit dem Konzern RWE und dessen neuer Ökostromgesellschaft Innogy verbandelt ist, ist im nördlichen Kreis nach wie vor stark vertreten. Dies könne sich laut Janocha erst mit dem erneuten Ablauf der Konzessionsverträge ändern- also in rund 20 Jahren.