Südwest-Umweltminister Untersteller ist auf 180. Sein Zorn richtet sich gegen Bayerns Ministerpräsident Seehofer, der den Bau der geplanten Stromtrassen infrage gestellt.

Südwest-Umweltminister Untersteller ist auf 180. Sein Zorn richtet sich gegen Bayerns Ministerpräsident Seehofer, der den Bau der geplanten Stromtrassen infrage gestellt.

 

München/Stuttgart/Brüssel - In Baden-Württemberg und Bayern drohen Verbrauchern nach einem „Spiegel“-Bericht bis zu zehn Prozent höhere Strompreise als im Norden der Republik. Dies gehe aus einer Studie im Auftrag der EU-Kommission hervor, schreibt das Magazin. Darin untersuchten Strommarktexperten, welche Auswirkung eine Teilung des deutschen Elektrizitätsmarkts in eine nördliche und eine südliche Preiszone haben würde. Zu dieser Trennung werde die EU-Kommission Deutschland womöglich drängen, wenn die beiden geplanten Trassen, die Windstrom vom Norden in den Süden leiten sollen, nicht gebaut werden.

Auf „Focus“-Informationen, wonach Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) die Energiewende-Planung von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) zu torpedieren droht, reagierte Baden-Württembergs Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) ungehalten. „Bayerns Ministerpräsident Seehofer macht Politik gegen sein Land, wenn er die Netze infrage stellt und damit die Versorgungssicherheit auch bayerischer Unternehmen gefährdet.“ Er sei nicht gewillt, unter dem Vorwand der Versorgungssicherheit wieder eine Debatte über die Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken zu führen. Auch werde er nicht tatenlos zusehen, wie Deutschlands Strommarkt in zwei Teile Nord und Süd zerfällt.

Versuche, den Ausbau der Stromnetze zu bremsen oder zu verhindern, richteten sich gegen die Wirtschaft und gegen den Wohlstand in Deutschland. „Wer das tut, riskiert den Wirtschaftsstandort Deutschland und betreibt eine Politik der Deindustrialisierung. Das ist unverantwortlich“, beklagte Untersteller. Zu einer verlässlichen Politik gehöre auch, den Bund-Länder-Konsens zur Modernisierung und zum Ausbau der Stromnetze nicht leichtfertig aufzugeben. Der Ausbau der Netze sei selbst bei einer großzügigen Erdverkabelung die kostengünstigste Flexibilisierungsoption bei weiter wachsendem Anteil an Stromerzeugung aus Wind und Sonne, betonte Untersteller.

Wie das Magazin „Focus“ schreibt, machte der CSU-Vorsitzende Seehofer in der vergangenen Woche klar, dass er keine der beiden Stromtrassen akzeptieren werde, die vom Norden beziehungsweise Nordosten der Republik überschüssigen Windstrom nach Süden transportieren sollen. Seehofer wolle erst untersuchen lassen, ob die neuen Superleitungen überhaupt gebraucht werden, die als Kernstück der Regierungspläne gelten.

Der Chef der Deutschen Energie-Agentur (dena), Stephan Kohler, warnte im „Focus“: „Kommen die Stromtrassen nach Bayern nicht, dann müssten die Länder im Norden sofort aufhören, neue Windkraftanlagen zu installieren.“ Die Ankündigung Seehofers, statt auf importierten Windstrom auf eigene Gaskraftwerke zu setzen, sei unrealistisch. Neue Gaskraftwerke rechneten sich zurzeit nur mit Subventionen. „Dann hätten wir einen gespaltenen Energiemarkt“, sagte Kohler. „In Bayern wäre der Strom teurer als im Norden, wo Überfluss herrscht.“

Versorgungsengpässe insbesondere in Bayern verursachen schon heute laut „Spiegel“ Kosten in dreistelliger Millionenhöhe, die bislang Stromkunden bundesweit mittrügen. Diese Situation werde sich durch die Abschaltung von drei bayerischen Atomkraftwerken bis 2022 verschärfen. Dennoch hatte Seehofer vorige Woche den Bau der Stromtrassen generell infrage gestellt.