Noch Mitte Februar soll sich entscheiden, wer der neue Partner der Stadtwerke Stuttgart beim Stromvertrieb wird. Die StZ stellt die drei Bewerber vor.

Stuttgart - Hinter den Kulissen bereiten sich große Entscheidungen vor: Vielleicht schon Mitte Februar wird der Aufsichtsrat der neuen Stadtwerke Stuttgart darüber befinden, wer der Kooperationspartner beim Stromvertrieb sein wird – die Elektrizitätswerke Schönau aus dem Schwarzwald, die Stadtwerke Aachen oder die Thüga AG mit Sitz in München?

 

Es geht dabei um eine zentrale Weichenstellung, auch wenn derzeit viel dafür spricht, dass der Partner nur Minderheitsgesellschafter wird. Aber die drei Bewerber haben eine unterschiedliche Herkunft und Ausrichtung und werden das Gesicht der Stadtwerke mitprägen. Klar ist bisher nur: die Stadtwerke wollen nur grünen Strom anbieten, und vom Herbst an soll jeder Stuttgarter die Energie von den Stadtwerken beziehen können. Im Aufsichtsrat sitzen, schön proportional zu den Wahlergebnissen, alle Fraktionen des Gemeinderates sowie Vertreter der Stadtverwaltung.

Die Stromrebellen aus dem Schwarzwald

Bis jetzt scheint völlig offen zu sein, wer von den drei Bewerbern das Rennen macht. Zumindest offiziell haben sich die Fraktionen noch nicht festgelegt. Doch wer sind eigentlich die drei potenziellen Energieversorger für Stuttgart? Wir stellen sie vor – um niemanden zu bevorzugen, in streng alphabetischer Reihenfolge.

Elektrizitätswerke Schönau GmbH

Sie haben bundesweit Furore gemacht als die Stromrebellen aus dem Schwarzwald: Bürger der kleinen Gemeinde hatten Anfang der 1990er Jahre, aus der Erfahrung des Tschernobyl-Unglücks heraus, atomfreien Strom für ihre Gemeinde gefordert, in etlichen Gerichtsprozessen und zwei Bürgerentscheiden den lokalen Strom-Platzhirsch in die Knie gezwungen und selbst ein Energieunternehmen gegründet – es war eine Bilderbuchgeschichte bürgerschaftlichen Engagements. Seit 1998 verkaufen die Elektrizitätswerke Schönau (EWS) ihren Strom bundesweit; sie bieten ausschließlich Ökostrom an, und im Preis ist ein „Sonnencent“ inbegriffen, mit dem kleine lokale Kraftwerke finanziert werden. Derzeit beziehen 130 000 Haushalte ihren Strom von den EWS, darunter 10 000 in Stuttgart.

Auch kritische Töne gegenüber EWS

Diese makellose Weste und ein Ökoruf wie Donnerhall sind die besten Trümpfe der EWS im Stuttgarter Strompoker. Doch gibt es in Teilen des Gemeinderats auch kritische Töne. Die EWS bediene eher eine Nische, heißt es; womöglich sei man bei späterem Wachstum schlecht aufgestellt. Und überhaupt sei die EWS ein kleines Unternehmen mit gerade 35 Mitarbeitern: „Was wir aber vor allem brauchen, ist ein starkes Backoffice“, sagt ein Stadtrat.

Michael Sladek, Vorstand bei den EWS, kennt die Befürchtungen, teilt sie aber natürlich nicht. Allein im vergangenen Jahr hätten die EWS 25 000 Kunden gewonnen: „Es gab keinerlei Probleme bei der Abwicklung.“ Nach derzeitigen Prognosen dürften die Stadtwerke Stuttgart in den ersten Jahren kaum solche Zuwachsraten haben. Auch das Knowhow sei vorhanden: Schließlich müssten sie schon jetzt mit 750 Netzbetreibern in Deutschland verhandeln und belieferten zum Beispiel alle DM-Drogeriemärkte mit ihrem Strom, sagt Sladek.

Unternehmensphilosophie treu bleiben

Sowieso ist es für den Vorstand nicht so, dass die EWS um jeden Preis bei den Stadtwerken Stuttgart einsteigen wollen. Man werde dies nur tun, wenn das Unternehmen seine Philosophie bewahren könne. Das bedeutet zum Beispiel, dass man nicht mit Boni oder Geschenken auf Kundenfang gehen werde oder dass man keine großflächige und teure Plakatwerbung machen werde: „Das passt nicht zu uns.“

Dagegen verspricht Sladek, dass der Sonnencent der Stadtwerke in Stuttgart bleiben werde. Und: die 10 000 Stuttgarter EWS-Kunden könnten den Grundstock der Stadtwerke Stuttgart bilden – jeder Kunde muss aber einzeln zustimmen. Im Übrigen stehen die EWS beim Ökostrompreis in der Mitte der drei Bewerber: 919,30 Euro kostet der Strom pro Jahr bei einem Verbrauch von 3500 Kilowattstunden.

Stadtwerke Aachen AG (Stawag)

Stadtwerke Aachen

In Aachen hat man nie an der Zukunftsfähigkeit eines kommunalen Dienstleistungskonzepts gezweifelt. Als vor gut zehn Jahren viele Kommunen ihre Stadtwerke so rasch wie möglich verkauften – da widerstand die Stadt diesem übermächtigen Trend hin zu den Energiekonzernen.

Heute nimmt das hundertprozentige Tochterunternehmen der Stadt Aachen in Anspruch, „den Unternehmen und Bürgern ein komplettes und umweltgerechtes Energie- und Dienstleistungsangebot zu bieten“. Der Vorstandsvorsitzende Christian Becker sagt: „Wir haben schon früh in die erneuerbaren Energien investiert.“ Und die Aachener wollen ehrgeizig bleiben: Bis 2020 möchte die Stawag die Stromerzeugung aus Wind, Fotovoltaik, Wasserkraft und Biomasse mit einem großen Ausbauprogramm versechsfachen. Um dieses Ziel zu erreichen, investiere man bis zu 150 Millionen Euro im Jahr. Enge Kontakte zur Technischen Universität Aachen garantierten zudem ein hohes technologisches Knowhow. Deshalb sei man der richtige Vertriebspartner für die Stadtwerke in Stuttgart, heißt es selbstbewusst.

Stawag mit bürgernahem Konzept

„Bei uns wechseln die Bürger seltener als anderswo zu einem anderen Strom- oder Gasanbieter“, betont der Stawag-Manager. Rund 90 Prozent der Aachener – das entspricht beim Strom 141 000 Haushalten – sind den Stadtwerken treu geblieben. Das zeige, dass das Konzept bürgernah sei. „Und wir wissen trotzdem, wie ökologisch aufgestellte Stadtwerke rentabel wirtschaften müssen“, so Becker. Im vergangenen Jahr überwies das Tochterunternehmen rund drei Millionen Euro direkt an die Stadtkasse und glich außerdem das Defizit der Verkehrsbetriebe aus.

Die Stawag-Strategie sieht ehrgeizige Ziele für Stuttgart vor. „Mit uns können die Stadtwerke Stuttgart bis 2020 rund 60 000 Kunden gewinnen“, sagt der Prokurist Wilfried Ullrich – dies wären doppelt so viele, wie die Stuttgarter Prognose vorsieht. Um dieses Ziel zu erreichen, wollen die Aachener als Vertriebspartner mit einem 49-Prozent-Anteil am Anfang eine siebenstellige Summe in die Kundenwerbung stecken. „Wir möchten so rasch wie möglich mehr als 50 Prozent der Stuttgarter Haushalte mit Strom beliefern“, ergänzt Becker. Auch ein Kampfpreis soll dazu beitragen: „Unser Ökostrom wird in Stuttgart preiswerter sein als der normale Strom der EnBW“, erklärt der Vorstandschef Becker.

Um dieses Versprechen umzusetzen, müssten die Aachener in Stuttgart aber klar weniger als zu Hause verlangen: Laut Website kosten in Aachen 3500 Kilowattstunden Ökoplus-Strom 942,52 Euro – das ist das teuerste Angebot der drei Bewerber. Bei der EnBW ist diese Menge im Online-Tarif schon für 891 Euro zu bekommen.

Thüga AG

Das Schwergewicht Thüga

Die Thüga ist das Schwergewicht unter den drei Bewerbern. Hervorgegangen aus der 1867 gegründeten Thüringer Gasgesellschaft, ist sie längst bundesweit tätig: Die Stadtwerke Frankfurt, Hannover und Nürnberg sind mit je 20,5 Prozent beteiligt. Die restlichen Anteile gehören 55 lokalen Energieversorgern, im Südwesten beispielsweise der Badenova in Freiburg oder den Stadtwerken Freudenstadt. Es handelt sich damit um das „größte Netz an eigenständigen Energieversorgern in Deutschland“, wie die Thüga sich selbst beschreibt.

Rentables Unternehmen

Vor allem ist die Thüga ein Zusammenschluss kommunaler Unternehmen – und das macht sie natürlich interessant für Stuttgart, weil die hiesigen Stadtwerke gut in die Runde passen würden. Auch gibt sich die Thüga in der Regel mit einer Beteiligung oft deutlich unter 50 Prozent zufrieden. Das Unternehmen mit seinen rund 250 Mitarbeitern in der Holding und mit den 3,5 Millionen betreuten Stromkunden kann sich auch beim Gewinn sehen lassen: Im Jahr 2010 erwirtschaftete die Thüga eine Rendite von rund acht Prozent. Sie käme für die Stadtwerke später auch als Partner bei der Erzeugung regenerativer Energien und beim Netzbetrieb infrage; gerade erst wurden zwei Windparks in Brandenburg erworben. Wie man aus der Branche hört, sei die Thüga aber mit der eigenen Erzeugung von Ökostrom spät gestartet.

In erneuerbare Energien investieren

Laut eigener Auskunft liegt der heutige Anteil des grünen Stroms bei den zehn größten Partnern bei 40 Prozent, bei der Tochter Thüga Energie sogar bei 48 Prozent. In den kommenden zehn Jahren wolle man eine Milliarde Euro in den Ausbau der erneuerbaren Energien investieren, gibt Thüga-Sprecher Christoph Kahlen die Richtung vor. Ein kleiner Wermutstropfen bei der Präsentation der Thüga könnte sein, dass ein Partnerunternehmen in eine Affäre um den Wasserpreis verwickelt war. Der Bundesgerichtshof hatte im Februar 2010 nach einem Verfahren der hessischen Kartellbehörde beschieden, dass die Thüga-Beteiligungsfirma Enwag in Wetzlar den Wasserpreis um 30 Prozent senken musste. Kahlen äußerte sich zur Geschäftspolitik eines Partners nicht, betonte aber: „Neue Kunden gewinnt man als Stadtwerk nur, indem man faire Preise, ökologisch nachhaltige Produkte und guten Service bietet.“

Beim Ökostrompreis dagegen liegt das Unternehmen nicht schlecht: Die Thüga-Energie in Singen bietet ihren Seestrom aus Wasserkraft für 862,61 Euro bei 3500 kWh an – mit Abstand der günstigste Preis unter den drei Bewerbern. Bei der Harz Energie, die der Thüga zu 52 Prozent gehört, bezahlt der Kunde aber 927,69 Euro.