Obwohl seit Jahren gefordert wird, dass die Region Stuttgart sich aus der Abhängigkeit des Automobilbaus befreit, hat er seine dominierende Stellung ausgebaut. Das birgt Gefahren, kommentiert Thomas Durchdenwald.
Stuttgart - Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, welches Gefährdungspotenzial sich aus dem Abgasskandal von Volkswagen für die Region Stuttgart entwickeln kann, dann liefert ihn der am Mittwoch vorgestellte Strukturbericht. Der Fahrzeugbau ist nach wie vor die dominierende Branche im Ballungsraum rund um die Landeshauptstadt, seine Bedeutung gegenüber den anderen Vorzeigesparten, dem Maschinenbau und der Elektrotechnik, ist in den vergangenen Jahren sogar noch gewachsen. Oder andersherum: wenn es den Autobauern schlechtgehen sollte, geht es der Region schlecht.
Diese Analyse ist zwar so neu wie die Zeitung von gestern, aber auch wenn die gegenwärtige Lage rosig ist, vor möglichen Problemen, etwa die Konzentration auf den Verbrennungsmotor und die Dieseltechnologie, warnen die Experten wohl nicht zu Unrecht. Die Dominanz des Fahrzeugbaus ist insofern Glücksfall und Risiko zugleich für die Automobilregion Stuttgart. Aber dieser Befund verdeutlicht auch, wie wichtig es ist, dass Wirtschaft und Politik die Weichen richtig stellen, was die Herausforderungen – Stichworte: Elektroantrieb, autonomes Fahren, Wirtschaft 4.0 – angeht. Denn eines haben die Strukturberichte der vergangenen Dekaden deutlich gemacht: auch wenn sie in den Krisen des Automobilbaus, etwa Anfang der 1990er Jahre oder infolge des Finanzcrashs 2008, empfahlen, andere Branchen zu stärken, letztlich hat er seine dominierende Stellung behauptet und sogar ausgebaut.
Dennoch gibt es Handlungsfelder, die von Verbänden, Gewerkschaften und Politik bearbeitet werden müssen, wenn die wirtschaftliche Potenz der Region erhalten werden soll. Dazu gehören der Ausbau der Verkehrs- und Breitbandinfrastruktur, aber auch Anstrengungen für Gewerbeflächen in der Region. Das wird Konflikte mit dem Naturschutz und Anwohnern geben – wie die umstrittenen Gewerbeflächenausweisungen der Region an der A 81 im Kreis Ludwigsburg und die Weigerung mancher Kommunen, ihre Gewerbegebiete für „störende“ Firmen aus der Logistikbranche zu öffnen, beweisen. Wenn die Region auf Dauer nicht zurückfallen will, muss es dafür mehr Akzeptanz geben. Und die Regionalpolitik muss sich fragen (lassen), ob zu werben und zu moderieren, wie die Regionaldirektorin Nicola Schelling ihre Rolle beschreibt, wirklich ausreicht.