Der Württembergische Fußball-Verband hat einen finalen Vorschlag zur Reform des Spielklassensystems und der Bezirksgebiete erarbeitet. Zumindest für die Stuttgarter Bezirksligisten würde sich demnach einiges ändern.

Lokalsport : Franz Stettmer (frs)

Filder/Stuttgart - Auswärtsfahrten nicht mehr nur nach Bernhausen, Musberg oder Zuffenhausen, sondern auch nach Schönaich, Rohrau und Holzgerlingen? Und statt des nächsten Filder-Derbys vor Heimpublikum womöglich sonntäglicher Gastbesuch vom SV Deckenpfronn oder Fortuna Böblingen? Geht es nach den Plänen des Württembergischen Fußball-Verbands (WFV), dann wird dies für die Mannschaften der Stuttgarter Bezirksliga Wirklichkeit. Knapp zwei Jahre lang hat eine Kommission getüftelt. Nun ist klar: das Spielklassensystem und die Bezirksgebiete sollen reformiert werden. Statt 16 Bezirken innerhalb des Verbandsgebiets soll es künftig nur noch zwölf geben – für „Stuttgart“, inklusive nahezu aller Filderclubs, ist eben eine Fusion mit „Böblingen“ vorgesehen. Nachfolgend eine Übersicht über das Gesamtkonstrukt, die Hintergründe und die Auswirkungen für die einzelnen Ligen.

 

Warum soll es im württembergischen Fußball eine Reform geben?

Grund eins: König Fußball? Der Deutschen mit Abstand liebste Sportart? Ja, das gilt nach wie vor. Und dennoch: die Kickersparte hat ein Nachwuchsproblem. Im Bezirk Stuttgart beispielsweise hat sich die Zahl der am Spielbetrieb beteiligten Männermannschaften in den vergangenen 20 Jahren von 156 auf 130 reduziert. Und im Jugendbereich ist im Starterfeld bei A- und B-Junioren landesweit seit 2015 gar ein Minus von rund 25 Prozent zu registrieren. Tendenz: weiter fallend. So gestaltet es sich in den einzelnen Bezirken zunehmend schwer, die bisherigen Staffeln mit ausreichend Teams zu befüllen.

Grund zwei: die ungleichmäßige Verteilung zwischen den aktuellen Bezirken. Während in Enz/Murr und Neckar/Fils annähernd 200 Mannschaften auf Punktejagd gehen, sind es im Nördlichen Schwarzwald und an der Riss gerade mal um die 70. Was Aufstiegsplätze und etwa Ehrenamtspreise betrifft, sind dennoch alle gleichgestellt.

Der erwähnte Schwund sowie diese Diskrepanz haben bei der Verbandsverantwortlichen die Erkenntnis reifen lassen, dass Handlungsbedarf besteht. „Es ist unsere Aufgabe, einen stabilen, ausgeglichenen und vor allem auch zukunftsfähigen Wettbewerb zu gewährleisten“, sagt der WFV-Vizepräsident Steffen Jäger, der zusammen mit Harald Müller knapp zwei Jahre lang einer 16-köpfigen Kommission vorgestanden ist, die Reformvorschläge erarbeitet hat.

Wie sieht der Reformplan aus?

Bereits im November hatten Jäger und Co. den Vereinen eine Endauswahl an Modellen präsentiert (wir haben berichtet). Seither haben sie Reaktionen aufgenommen, sich an der Basis ein Stimmungsbild verschafft und neu bewertet. Nun steht die final favorisierte Version: Sie nennt sich „1-4-12 c“. Was für Otto Normalkicker recht kryptisch klingen mag, erklärt sich so: Bisher besteht das Spielsystem aus einer Verbandsliga, vier Landesliga-Staffeln und darunter 16 Bezirksligen – also 1-4-16. Fortan soll es lediglich noch zwölf Bezirksligen geben, mithin auch nur noch zwölf Bezirke. Heißt: das Verbandsgebiet muss neu aufgeteilt werden.

Mit 1-4-12 hat sich die Kommission dabei mittlerweile für den gemäßigteren Weg entschieden. Keine Volloperation, wie es beim ebenfalls angedachten 1-3-9 der Fall wäre (nur noch drei Landesliga-Staffeln und neun Bezirke) – dies hätte bedeutet, dass kein einziger Bezirk in seiner bisherigen Form erhalten bleibt. Stattdessen quasi ein ambulanter Eingriff, jener mit vergleichsweise moderaten Veränderungen – wohl auch in der Gewissheit, dass so das Protestpotenzial geringer ausfallen dürfte.

Bei 1-4-12 blieben fünf Bezirke sogar exakt wie bisher: Enz/Murr, Ostwürttemberg, Neckar/Fils, Alb und Bodensee. Acht würden erweitert durch andere Gebiete, darunter der Bezirk Stuttgart. Und nur drei fielen dem Seziermesser zum Opfer: Böblingen/Calw, Hohenlohe und Donau würden durchschnitten.

Was bedeutete dies für die Verbandsliga mit Calcio Leinfelden-Echterdingen?

Gar nichts. Diese Spielklasse bleibt in gehabter Form bestehen.

Welche Auswirkungen gäbe es für die Landesliga, nach jetzigem Stand unter anderen den SV Bonlanden, den TV Echterdingen und den TSV Plattenhardt?

Für die Landesliga definiert sich das Entscheidende über den Zusatz „c“ beim Modell „1-4-12 c“. Nach allen Planmodellen vom November wäre noch klar gewesen, dass es für die Teams der Staffel 2 gravierende Veränderungen geben wird. Sie hätten so oder so komplett neue Gegner bekommen, entweder hinauf bis zum Hohenlohischen oder in Richtung Schwarzwald und Tübingen. Bei der nun modifizierten und präferierten Variante c wäre das Gegenteil der Fall: Fast alles bliebe wie bisher (im Schaubild die Gebiete in Blautönen). Die Konkurrenz käme nach wie vor aus den Bezirken Neckar/Fils und Ostwürttemberg. Geislingen, Köngen, Waldstetten, Sontheim, um nur einige zu nennen. Einziger Unterschied: die Donau/Iller-Konkurrenz fiele weg (zum Beispiel der TSV Neu-Ulm). Dafür kämen die Landesligisten aus der Böblinger Ecke hinzu (zum Beispiel SV Böblingen und FC Gärtringen).

Mit diesem Modell sähe man von WFV-Seite, übers gesamte Verbandsgebiet betrachtet, „die Fahrtstrecken optimiert“.

Was bedeuteten die Pläne für die Stuttgarter Bezirksliga?

Wie eingangs erwähnt: jene bekäme Zuwachs. Der Bezirk Stuttgart fusionierte mit dem Gebiet der Schiedsrichtergruppe Böblingen – die Mannschaften beider Bereiche würden künftig eine gemeinsame Bezirksliga bilden, allerdings wohl wie gehabt mit einer Maximalstarterzahl von 16 Mannschaften. Es müsste also vorab eine Qualifikationssaison mit tendenziell verschärftem Abstieg geben.

Welche Folgen hätte das Konzept für die Kreisligen?

Voraussichtlich keine. Trotz Zusammenschluss des Bezirks Stuttgart mit „Böblingen“ bliebe es auf dieser Ebene bei regional eingeteilten Staffeln. Heißt: die Stuttgarter Mannschaften verweilten unter sich. Für die Kreisliga A wären drei Staffeln denkbar: wie gehabt zwei mit Stuttgarter Teams, eine mit Böblinger Teams – Entsprechendes in der Kreisliga B.

Wie ist der weitere Verfahrensweg?

Die WFV-Kommission legt ihren Abschlussbericht nun dem WFV-Beirat vor, dessen Zustimmung als wahrscheinlich gilt – ehe ein endgültiger Reformvorschlag vors final entscheidende Gremium geht. Auf dem Verbandstag am 8. Mai 2021 wird es schließlich an den Delegierten der Bezirke liegen, den Daumen zu heben oder zu senken. Die Vertreter der betroffenen Vereine haben das letzte Wort.

Viel spricht dafür, dass der WFV-Beirat eben das Modell „1-4-12 c“ zur Abstimmung stellen wird. Endgültig vom Tisch sind aber auch die anderen erwähnten Versionen vom November noch nicht.

Wann könnte die Reform frühestens greifen?

Der Spielausschuss-Vorsitzende Harald Müller veranschlagt für die Umsetzung „zwei bis drei Jahre“. Denkbar ist, dass die Saison 2022/2023 als Qualifikationsjahr dient, in dem die Starterfelder für die von den Gebietsgrenzen umstrukturierten Ligen ermittelt werden. Mit neuem System könnte es dann frühestens von Sommer 2023 an zur Sache gehen.

Wie wahrscheinlich ist es, dass die Reform kommt?

Nimmt man die Umfragewerte des Verbands zum Maßstab, dann ist sie groß. Auf mehreren Regionalkonferenzen vor Vereinsvertretern haben sich 97 Prozent aller Anwesenden grundsätzlich für Änderungen ausgesprochen. Rund 70 Prozent stimmten für ein Modell „1-4-12“.

Bewusst haben Jäger, Müller und deren Mitstreiter von Beginn an auf Offenheit, Transparenz und eine Mitsprachemöglichkeit der Basis gesetzt – anders als ihre Vorgänger vor 20 Jahren. Damals stand schon einmal eine Reform mit Reduzierung der Bezirke zur Debatte. Doch kassierten die WFV-Macher eine bittere Schlappe. Vergrätzt darüber, erst spät von den Plänen erfahren zu haben, ließen die Delegierten das Konzept auf dem Verbandstag krachend durchfallen.