Das ZDF zeigt in den nächsten Wochen die letzten Folgen der Krimireihe „Stubbe“. Wolfgang Stumph, ihr Hauptdarsteller, ist einer der letzten echten Volksschauspieler. Das Abenteuer seines Lebens: normal zu sein.
Stuttgart - Erfolgreiche Menschen geben sich gern bescheiden, weil das erfahrungsgemäß ihre Beliebtheit vergrößert. Derart eigennützige Motive sind bei Wolfgang Stumph auch mit größer Mühe nicht zu entdecken, im Gegenteil. Selbst zu nachtschlafender Zeit treibt ihn die Sorge um, er könne beim Interview womöglich allzu selbstgefällig gewirkt haben. Dabei kann davon nicht im Entferntesten die Rede sein. Der Fußballfan Stumph ist ein Mannschaftsspieler, der ganz genau weiß, dass auch die größten Stars nur deshalb glänzen, weil sie Teil eines Teams sind: „Es ist ja gleichzeitig ein großes Glück wie auch ein großes Unrecht, das ein Hauptdarsteller in dem Glanz erstrahlt, der erst durch die Leistung der Kollegen auf ihn fällt. Die zentrale Figur kann nur dann zum Zugpferd werden, wenn sie von vielen anderen angetrieben oder gezogen wird.“
Den zaghaften Einwand, er könne aus dem Telefonbuch vorlesen und die Zuschauer wären fasziniert, wischt der Schauspieler vom Tisch, ohne Widerspruch zu dulden: „Alles, was ich geschafft habe, habe ich zu 99 Prozent anderen und dem Glück zu verdanken. Allein ist man nichts. Auch der genialste Schriftsteller braucht einen Verlag, der seine Bücher drückt.“
Weggefährten des vermutlich beliebtesten Sachsen seit Karl May sind bei ihren Huldigungen weniger zurückhaltend. Geschätzt und verehrt wird Stumph, der im Januar 68 wird, vor allem als einer der letzten Volksschauspieler. „Er kennt die Menschen, und die Menschen erkennen sich in ihm“, erklärt der ZDF-Fernsehspielchef Reinhold Elschot die enorme Popularität des gebürtigen Schlesiers. Der Programmchef des „Zweiten“, Norbert Himmler, spricht anlässlich der drei letzten „Stubbe“-Folgen, die das ZDF in den nächsten Wochen zeigt, von einer „besonderen Strahlkraft“. Peter Kahane, der die Figur des sächsischen Kommissars in Hamburg vor zwanzig Jahren gemeinsam mit Stumph kreiert hat, fasst die Wirkung des Schauspielers so zusammen: Für ihn ist Stumph „ein Charakterkopf und vor allem ein Menschenfänger“. Während der Gelobte das Prädikat „Volksschauspieler“ zwar als Ehre, aber vor allem als Verpflichtung betrachtet, weil man sich dieses Vertrauens immer wieder als würdig erweisen müsse, kann er mit der Bezeichnung „Menschenfänger“ gut leben: „Ich versuche, mit meiner Arbeitswut andere anzustecken, sie zu begeistern und mitzureißen. Ich kann einfach nicht anders. Ich muss andere anzünden, erst dann kann ich mich gemeinsam mit ihnen am Erfolg erwärmen.“
Wenn Themen M enschen bewegen
Ein weiterer Begriff, der im Zusammenhang mit Wolfgang Stumph immer wieder fällt, ist Authentizität. Damit erklärt er auch den Erfolg von „Stubbe“: „Weil die Themen, die wir bewegen, die gleichen sind wie jene, die die Menschen bewegen.“ Tatsächlich war die Reihe immer auch Familienserie, was sich vor allem an der von Stumphs Tochter Stephanie gespielten Christiane zeigte: Aus dem Kind wurde eine erwachsene Frau, die einen Beruf erlernt und eine eigene Familie gründet. Aber natürlich ist Authentizität auch eins der Erfolgsgeheimnisse von Wolfgang Stumph: „Ich führe ein Leben wie jeder andere auch, ich empfinde den Schmerz und das Glück des Alltags nicht anders als andere.“ Bei der Auswahl seiner Rollen sei stets ausschlaggebend gewesen, „dass ich mein Humorverständnis einbringen kann und dass Themen behandelt wurden, die auch mich wütend oder traurig gemacht haben.“
Als der Sachse Wilfried Stubbe 1995 seinen Dienst in Hamburg antrat, lag die Wiedervereinigung Deutschlands erst wenige Jahre zurück; in vielen Köpfen war sie noch gar nicht vollzogen. Beide, Stumph wie Stubbe, haben ihren Teil zur deutsch-deutschen Annäherung beigetragen, und nun lässt der Menschenfänger doch noch ganz kurz ein bisschen Stolz aufblitzen: „Ich würde mich freuen, wenn ich als Kabarettist und politisch denkender Schauspieler tatsächlich einen bescheidenen Beitrag dazu geleistet hätte.“ Begriffe wie „Vorzeige-Sachse“ seien aus den Porträts über ihn mittlerweile jedenfalls verschwunden, was ihn aber nicht weiter wundert: „Wir haben ja aber hüben wie drüben ohnehin längst alle die gleichen Probleme.“
Die Wurzeln sind wichtig
Zur Authentizität von Stumph und Stubbe trägt selbstredend auch der Dialekt bei. Natürlich kann Stumph zur Not hochdeutsch, aber es ist ihm wichtig, seine Wurzeln erkennen zu lassen: „Das ist für mich Ausdruck der Treue zu der Figur, die man darstellt. Man verstellt sich nicht, sondern macht deutlich, dass man bei sich bleibt. Viele Kollegen glauben, Dialekt bedeute eine Einschränkung. Das Gegenteil ist der Fall: Aus dieser Wurzel heraus kann man alles spielen, denn weder die geografische Herkunft noch eine bestimmte Religion schützen davor, Mensch bleiben; mit allen Stärken und allen Schwächen.“ Stumph selbst empfindet sich übrigens gar nicht als Schauspieler, sondern als „Menschendarsteller“. Damit unterscheidet er sich von vielen Kollegen, die es bevorzugen, kräftige Charaktere zu verkörpern: „Solche Figuren fallen stärker auf als normale Menschen. Wuchtige Typen sind auch leichter zu spielen als Alltagsfiguren, für deren Feinheiten man ein gewisses Gespür braucht; genauso, wie leiser Humor viel schwerer zu spielen ist als mancher Comedy-Quatsch.“