Auf dem Campus der Universität Hohenheim gibt es Wohnungen für Studenten, die glücklicherweise im Wort- und nicht im übertragenen Sinn unterirdisch sind. Der Austauschstudent Issac Greeson ist einer der Erdhügel-Bewohner.

Hohenheim - Es ist etwas dunkel, wenn man das Innere der Erdhügelhäuser betritt. Ob von oben über eine Luke, durch eine Tür, die in den Hügel eingelassen ist oder über eine der Feuerleitern: Egal wie man in die Behausungen an der Fruwirthstraße gelangt, es ist ein Erlebnis. „Sie nennen uns Hobbits. Dafür nennen wir die Wohnheime außerhalb unserer Siedlung Mordor“, erzählt Issac Greeson und lacht wegen des Bezugs zu Tolkiens Fantasyromanen.

 

Der 21-Jährige studiert in den USA Kulturpflanzenforschung und Landwirtschaftsmanagement im sechsten Semester. Für ein Semester hat er sein gewöhnliches Zimmer im Bundesstaat Indiana gegen die ungewöhnliche Bleibe in Stuttgart getauscht. „Ich habe so etwas noch nie gesehen, aber es ist ziemlich abgefahren“, sagt der junge Amerikaner. Auf dem Campus seiner Heimatuniversität seien die Studentenwohnheime sehr luxuriös und hotelartig, erzählt er. Dort werden die winzigen Küchen oft nicht benutzt, denn das Essen in der Mensa nebenan ist im Mietpreis enthalten. Warum er sich ausgerechnet für diese Erdhügel beworben hat? „Die Zimmer sind sehr günstig, und ich brauche nur fünf Minuten zur Uni.“

Im Norden Hügel, im Süden Teich

Für die Dauer seines Auslandssemesters studiert Greeson hier Agrarwissenschaften. Ihm geht es mehr um die Natur, denn im Grünen fühlt er sich wohl. Seit der amerikanische Student hier wohnt, kocht er oft mit seinen Mitbewohnern in der Gemeinschaftsküche. Die ist zum Treppenhaus hin offen, auch die Treppe selbst besteht aus Metallgittern. So kann Tageslicht, das von oben durch ein Glasdach fällt, das Innere auf natürliche Art beleuchten. Die Studenten nutzen diese räumliche Offenheit auch ganz anders: Wenn das Essen fertig ist, hallen die Rufe aus der Küche durch den ganzen Hügel.

Die sechs Häuser befinden sich direkt auf dem Campusgelände der Universität Hohenheim. Ihre Nordseite ist in die Hügel hineingebaut, Richtung Süden liegen die Zimmer mit Blick auf einen großzügigen Garten mit Teich. Acht bis elf Studenten teilen sich pro Stockwerk eine Küche und zwei Bäder. Die einzelnen zwölf Quadratmeter-Zimmer sind voll möbliert, kosten 260 Euro, und jedes besitzt einen eigenen Balkonabschnitt. Viel Privatsphäre gibt es nicht, denn die hölzernen Abschnitte sind miteinander verbunden und nicht abgetrennt. Hängematten, Blumenkübel und Klappstühle zieren die Balkone, auf denen manchmal auch die Wäsche aufgehängt wird. „Mich stört die fehlende Privatsphäre überhaupt nicht. Ich bin sehr gerne im Freien und habe nichts zu verbergen“, sagt Greeson. Er wohnt ganz oben und genießt seinen Platz in der Sonne. Bewohner, die nicht in der obersten Etage wohnen, können durch eine Luke im Dach auf die Spitze des Hügels gelangen. Die ist mit Gras bewachsen und dient im Sommer dem ausgiebigen Sonnenbaden.

Hobbits waschen in Mordor

Nicht ohne Grund ist das Wohnheim mit seinen 157 Plätzen eines der beliebtesten in Stuttgart. Im Sommer herrscht hier ein lebendiges Treiben; die meisten Studenten halten sich auf den Balkonen oder im nahe gelegenen Park auf. Dort gibt es für jedes der Erdhügelhäuser auch einen Grillplatz.

Nicht nur das Grillen findet außerhalb der Hügel statt, sondern auch das Waschen. Dafür müssen die Erdhügelbewohner ihre Siedlung verlassen und in das feindliche Mordor ziehen. Doch das stört die Studenten nicht. „Ich fühle mich als Hobbit hier ziemlich wohl. Das ist eine einzigartige Erfahrung, von der ich meinen Freunden noch lange erzählen werde“, sagt der 21-Jährige. Greeson will irgendwann den Keller seines Erdhügels erkunden. Wo genau der Eingang ist, weiß der Student noch nicht. „Mal sehen, ob es dort auch einen Ausgang nach draußen gibt.“