Die Landesbank sieht schwarz für die EnBW, wenn die Laufzeiten von Atomkraftwerken wieder verkürzt werden, aber die Brennstoffdauer bleibt.  

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Eine Wende in der deutschen Atompolitik würde die EnBW angesichts ihres hohen Kernkraftanteils ungleich schwerer treffen als die anderen Energiekonzerne. Zu diesem Ergebnis kommen Analysten der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) in Studien zu den Auswirkungen der Katastrophe in Japan. Danach droht der EnBW-Aktie ein Abschlag von 30 Prozent, wenn die Laufzeitverlängerung der Reaktoren rückgängig gemacht, die Brennstoffsteuer aber beibehalten würde. Für den Anteil des Landes von 45 Prozent bedeutete dies einen Wertverlust von mehr als 1,3 Milliarden Euro.

 

Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) hatte die Diskussion über den Wert der EnBW als "absoluten Quatsch" bezeichnet. Mit den Studien der LBBW aus der vergangenen Woche, die der Stuttgarter Zeitung vorliegen, wird diese nun jedoch neu angefacht. Die Spezialisten der Landesbank spielen darin im Wesentlichen drei Szenarien durch. Für am wahrscheinlichsten (60 Prozent) halten sie es, dass es bei den längeren Laufzeiten bleibt, die Sicherheitsanforderungen aber erhöht und ältere Meiler abgeschaltet werden. Ihre Begründung: Die schwarz-gelbe Koalition könne so "ohne großen Gesichtsverlust" Handlungsfähigkeit demonstrieren.

Sicherheitsanforderungen nicht festgelegt

Für die Versorger dürfte sich dies der Studie zufolge nur "moderat negativ" auswirken. So komme ihnen zugute, dass die Sicherheitsanforderungen für die längeren Laufzeiten noch nicht festgelegt seien, was "Spielräume für die Politik" eröffne. Belastend seien unter anderem die Kosten für den Rückbau der Altanlagen. Bei Eon und RWE drohten in diesem Fall Abschläge von vier Prozent, bei EnBW von zwölf Prozent. Allerdings gehen die Analysten davon aus, dass die Strommengen stillgelegter Anlagen auf jüngere übertragen werden dürfen, was politisch höchst umstritten ist.

Für weniger wahrscheinlich (30 Prozent) halten die LBBW-Experten, dass die Laufzeitverlängerung rückgängig gemacht wird. Dies wäre für die Versorger noch zu "verkraften", wenn zugleich die Kernbrennstoffsteuer wegfiele. Am Markt werde aber eher befürchtet, dass sie bleibe; dies ließen erste Äußerungen aus dem Finanzministerium erwarten. Die Verträge mit den Kraftwerksbetreibern sähen offenbar "keinen Schutz gegen eine solche Variante" vor. Bei diesem Worst-Case-Szenario werde die EnBW-Aktie mit 30 Prozent belastet, die Anteile von Eon und RWE dagegen nur mit 13 beziehungsweise 14 Prozent.

Landesbank äußert sich skeptisch

Insgesamt bestätigt die LBBW ihre "skeptische Haltung" zum Energiesektor. Den freien EnBW-Aktionären rät sie weiterhin, das Übernahmeangebot des Landes anzunehmen und ihre Aktien für 41,50 Euro zu verkaufen. Die erste Frist dafür war am Freitag ausgelaufen, die Nachfrist dauert bis zum 6. April. Wenige Tage vor dem Wiedereinstieg des Landes bei der EnBW Anfang Dezember hatte sich die Landesbank bereits skeptisch zu der Aktie geäußert. Damals senkte sie das Kursziel von 40,50 auf 37 Euro. Zum Halten der Papiere riet sie vor allem deshalb, weil beide Großaktionäre mit einer Mehrheit liebäugelten, was den Kurs beflügeln könnte. Dieses Moment ist nach dem Rückkauf weggefallen. Ein neues Kursziel liegt noch nicht vor.

Die LBBW verweist zudem darauf, dass schon vor der Katastrophe in Japan "rechtliche und politische Unsicherheiten" bestanden hätten - so die inzwischen eingereichte Klage gegen die Laufzeitverlängerung. Diese Risiken hätten sich nun weiter verstärkt. Für sehr unwahrscheinlich halten die Analysten zwei extreme Szenarien: nur mit fünf Prozent sei zu erwarten, dass Deutschland kurz- bis mittelfristig ganz aus der Kernenergie aussteigen werde - oder aber nach einer "vorübergehenden Hysterie" gar keine nennenswerten Konsequenzen gezogen würden.