Eine Erhebung des ADAC bescheinigt Stuttgart im Vergleich mit anderen Großstädten einen Top-Platz – mit Durchschnittswerten. Der Fahrradbeauftragte der Stadt ist erstaunt über das Ergebnis.

Stuttgart - Bei einer vom ADAC in Auftrag gegebenen Studie „Radfahren in Städten“ landet Stuttgart gleich hinter München auf Platz zwei und lässt Großstädte wie Hannover, Hamburg, Berlin, Nürnberg, Köln, Leipzig, Frankfurt am Main, Düsseldorf, Dresden und Dortmund hinter sich. Zu diesem Ergebnis kommen jedenfalls die Tester und bescheinigen Stuttgart im Gesamturteil ein „Durchschnittlich“. Während OB Fritz Kuhn (Grüne) Stuttgarts Fahrradpolitik durch die Studie des Autolobbyisten bestätigt sieht, bewerten Fahrradlobbyisten wie der ADFC Stuttgart und die Initiative Critical Mass diese skeptisch.

 

In der Gesamtwertung bescheinigt die Studie Stuttgart in zwei von sieben Kriterien ein „Sehr gut“: nämlich bei „Sicherheit und Komfort der Testrouten“ und beim Punkt „Kommunale Radverkehrsförderung“. Durchschnittlich schneidet die Landeshauptstadt bei Abstellplätzen und Serviceangeboten ab, unterdurchschnittliche Werte erhält sie bei den Themen Unfallhäufigkeit und -vermeidung sowie beim Radverkehrsnetz und der Beschilderung.

Getestet wurden in Stuttgart fünf Routen: Schützenplatz – SWR/Neckarstraße; Cannstatter Carré/Daimlerstraße – Carl-Benz-Platz; Marienplatz – Friedrich-Eugens-Gymnasium/Silberburgstraße; Hölderlinplatz – Berliner Platz; S-Bahn-Halt Vaihingen – Uni Stuttgart/Campus Vaihingen/Pfaffenwaldring.

Das Diebstahlrisiko ist relativ gering

Als Stärken filterten die Tester dabei heraus, dass die Radwege und Radfahrstreifen teilweise breiter seien als vorgegeben, etwa an der Mercedesstraße. Positiv seien „sehr viele funktionelle Abstellanlagen“, Fahrradstationen an vier S-Bahnhöfen, die kostenlose Fahrradmitnahme in der Zacke bergauf, das geringe Diebstahlrisiko (laut Polizei gab es im vergangenen Jahr 909 Fahrraddiebstahl-Delikte, in den Jahren zuvor 1131, 976, 732). Pluspunkte seien auch der Radroutenplaner im Internet, die Radverkehrskonzeption, das städtische Programm zur Förderung von Elektrofahrrädern, die Arbeitsgruppe Radforum mit kommunalpolitischer Beteiligung und die Öffentlichkeitsarbeit der Stadt.

Negativ bewerten die Tester die „überdurchschnittlich vielen schweren Unfälle mit Radfahrern“ sowie dass stark befahrene Straßen oft ohne Radwege seien, dass nur „rund die Hälfte des gesamten Radverkehrsnetzes für Radfahrer gut nutzbar“ sei, es in Bike&Ride-Anlagen teils nur wenige Abstellplätze gebe und die Fahrradmitnahme in Bussen generell nicht möglich sei.

OB Kuhn sieht sich dennoch bestätigt: „Die Studie gibt uns Rückenwind, denn sie zeigt, dass wir schon ein gutes Stück vorangekommen sind. Sie zeigt aber auch, dass wir noch besser werden müssen. Daran arbeiten wir.“ Der Stuttgarter Fahrradbeauftragte Claus Köhnlein formuliert es so: „Dass Stuttgart den zweitbesten Rang von allen Großstädten hat, wundert mich selber. Aber es ermutigt mich und zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind.“ Köhnlein hält die Studie aufgrund ihrer Detailliertheit und wegen des bundesweit renommierten Büros, das neutral getestet habe, für „gut gelungen“.

Skepsis bei den Fahrradlobbyisten

Beim ADFC Stuttgart bewertet die Sache skeptischer. Dessen Vizevorsitzender Cornelius Gruner sagt: „Ich finde die Auswahl der getesteten Routen etwas spärlich – wirklich kritische Stellen sind die Tester nicht gefahren.“ Etliche Strecken hätten durch Tempo-30-Zonen geführt – „da kann ich wenig Aussagen treffen über die Radfahrfreundlichkeit einer Kommune“, so Gruner. Auch fehlten Aussagen darüber, wie viel Geld eine Kommune für die Förderung des Radverkehrs pro Einwohner ausgebe, kritisiert er. In einem Punkt könne er die Ergebnisse aber bestätigen: „In Sachen Abstellanlagen hat sich in Stuttgart in den letzten fünf Jahren wahnsinnig viel getan.“

Alban Manz von der Initiative Critical Mass Stuttgart sieht in der Studie Stuttgarts Nachholbedarf in Sachen Rad-Infrastruktur bestätigt: „Stuttgart hat überhaupt noch kein Konzept, wie der Radverkehr dauerhaft gefördert werden soll. Mal sollen Radfahrer auf der Fahrbahn fahren, mal im Mischverkehr mit Fußgängern, mal auf Radwegen“ – dies fördere nur die Pfadfindermentalität urbaner Radler. Radverkehr, so Manz, müsse in Richtung Straße geplant werden und nicht mit Fußgängern. Am sichersten sei flächendeckend innerstädtisch Tempo 30.