AfD-Vize Alexander Gauland propagiert die „Politik für den kleinen Mann“. Doch an der Klientel der Partei ginge eine solche Politik vorbei.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Stuttgart - Die AfD will ein einfaches und gerechtes Steuersystem. Das hört sich sehr gut an, doch dieses Ziel haben alle Parteien in Deutschland. Im Grundsatzprogramm, das die Alternative für Deutschland am Wochenende in Stuttgart auf ihrem Bundesparteitag verabschiedet hat, wird die Partei nur unwesentlich konkreter. Dort steht, dass Mittel- und Geringverdiener, insbesondere Familien, mit einem niedrigeren Steuersatz finanziell entlastet werden sollen. Macht die Partei also „Politik für den kleinen Mann“, wie AfD-Vize Alexander Gauland unserer Zeitung jüngst im Interview erklärte? Weiter sagte er: Die Wahlanalysen in Hamburg, in Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt zeigen uns, dass wir viel Zustimmung von den kleinen Leuten erhalten. Der Wahlkreis Mannheim-Nord, ein ursozialdemokratisches Pflaster, ist an die AfD gefallen. Gleiches gilt für Pforzheim. (...) Die AfD darf nicht die Menschen am unteren Ende der sozialen Skala allein lassen.“

 

Die AfD will keine Erbschaftssteuer

Doch wie passt zu diesem Satz, dass die Alternative für Deutschland die Erbschaftssteuer abschaffen will? 200 bis 300 Milliarden Euro werden nach Schätzungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Deutschland jährlich vererbt oder verschenkt. Ein Drittel des gesamten Erbschaftsvolumens entfällt dabei auf Vermögen von über 500 000 Euro. Klar ist also, dass vor allem die Reichen von diesem Schritt profitieren würden.

Die von Gauland propagierte „Politik für den kleinen Mann“ würde an der AfD-Klientel vorbeigehen. Das zumindest legt eine Untersuchung des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW Köln) nahe. Ein Fazit: die Alternative für Deutschland ist eine Partei für Besserverdienende. 33,9 Prozent aller AfD-Sympathisanten gehören zum reichsten Fünftel der Bevölkerung. Unter diesen Umständen ist auch das nächste Ergebnis nicht überraschend: Weniger als zehn Prozent der AfD-Anhänger machen sich große Sorgen um die eigene wirtschaftliche Situation. Bei den Top-Verdienern ist nur die FDP deutlich häufiger vertreten als in der AfD. Union und Grüne haben ähnlich viele gut verdienende Sympathisanten. Aus wirtschaftlicher Not wählen deshalb offenbar die wenigsten die AfD. Das Bildungsniveau in der Partei ist entsprechend überdurchschnittlich.

Die Angst vor Zuwanderung

Wenn die wirtschaftliche Situation der AfD-Anhänger so entspannt ist, weshalb verfangen bei ihnen die Anti-Ausländer-Slogans so gut? Die Studie zeigt, dass die Angst vor Zuwanderung keine Frage des Einkommens ist. Es gebe nur einen sehr schwachen Zusammenhang zwischen den Sorgen wegen Zuwanderung und dem Nettohaushaltseinkommen. Bei den 60 Prozent mit mittlerem Einkommen sind die Sorgen aufgrund der Zuwanderung nahezu gleichmäßig verteilt, nur im ärmsten Fünftel liegen sie etwas höher, im reichsten Fünftel etwas geringer als im Durchschnitt der Bevölkerung. Die Untersuchung zeigt: Die AfD ist keine Protestbewegung einer abgehängten Unterschicht. Das muss auch den anderen Parteien zu denken geben. Die Forderungen nach Sofortmaßnahmen wie Sozialpakete gehen angesichts des Befundes der Forscher in Köln am eigentlichen Problem vorbei.

Die IW-Studie basiert auf Daten des Soziooekonomischen Panels über Parteipräferenzen im Jahr der Europawahl 2014, die erst jetzt verfügbar sind. Laut den IW-Forschern dürfte sich bis heute aber wenig an der Zusammensetzung der AfD-Anhängerschaft geändert haben.