Baden-Württemberg will mehr Frauen und Zuwanderer für die Berufe der Informationstechnologie gewinnen und investiert dafür Millionen. Auch die Weiterbildung soll besser werden.

Geld/Arbeit: Daniel Gräfe (dag)

Stuttgart - In Baden-Württemberg werden bis zum Jahr 2030 rund 6700 Fachkräfte im Bereich Informationstechnologie (IT) fehlen. Heute sind es rund 3000 IT-Stellen, die die Betriebe im Land nicht besetzen können. Das ist das Ergebnis einer Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts Wifor, die die Fachkräfteallianz Baden-Württemberg am Montag präsentiert hat. Der Allianz gehören unter anderem Ministerien, Arbeitsagenturen, Wirtschaftsorganisationen, Gewerkschaften und Pflegeorganisationen an.

 

„Zurzeit besteht lediglich ein moderater Fachkräfteengpass, auch wenn dies im Einzelfall gerade von kleinen und mittleren Unternehmen anders wahrgenommen wird“, sagte Studienleiterin Sandra Hofmann. „Konzerne wie Bosch bleiben gut im Rennen, aber das Kleinunternehmen aus dem Schwarzwald muss stärker um gute Fachkräfte kämpfen.“

Die Babyboomer verabschieden sich in die Rente

Hauptgrund des Fachkräftemangels ist den Angaben zufolge der demografische Wandel. Bis 2030 gehen viele Fachleute der geburtenstarken Jahrgänge der 1950er und 60er Jahre, auch Babyboomer genannt, in Rente. Hofmann befürchtet, dass neben dem Fachwissen auch die Erfahrungen bei der Wissensvermittlung verloren gehen könnte. „Doch das haben viele der Unternehmen noch nicht auf dem Schirm.“

Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) sagte, die Studie biete eine fundierte Analyse der Jobsituation in der IT-Branche, mit deren Hilfe das Land „passgenaue Maßnahmen“ umsetzen könne. „Der Fachkräfteengpass ist auch in Zukunft wirtschaftspolitisch beherrschbar. Es muss uns aber gelingen, mehr Frauen für IT-Berufe zu gewinnen, mehr internationale IT-Fachkräfte zu rekrutieren und die Aus- und Weiterbildung weiter zu verbessern“, so die Landesministerin. Daher will das Wirtschaftsministerium bei der Digitalisierung die berufliche Weiterbildung bis 2019 mit zusätzlich 3,8 Millionen Euro fördern. Zudem sollen 1,4 Millionen Euro in die Landesinitiative „Frauen in Mint-Berufen“ fließen. Unter anderem soll ein Wettbewerb von Youtube-Filmern Mädchen für die Möglichkeiten der Digitalisierung in den Mint-Bereichen begeistern – sprich in Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik.

Der Frauenanteil in den IT-Berufen beträgt derzeit nur 17 Prozent

Denn laut Studie ist der Frauenanteil in den IT-Berufen im Land mit derzeit 17 Prozent äußerst gering – branchenübergreifend liegt er bei rund 46 Prozent. Hoffmeister-Kraut rief Unternehmen, Verbände und Gewerkschaften dazu auf, noch stärker um Frauen in der IT zu werben. „Wir müssen das geschlechterspezifische Berufsverhalten weiter aufbrechen, moderne Unternehmenskulturen etablieren und eine partnerschaftliche Vereinbarkeit von Familie und Beruf erreichen.“

Die Vorlage spielte der Landesvorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), Martin Kunzmann, zurück. „Die Erhöhung des Frauenanteils in den IT-Berufen erfordert eine weitere Verbesserung der Betreuungssituation für Kinder durch das Land, aber auch eine auf Chancengleichheit ausgerichtete Unternehmenskultur“, sagte er. Bei der Landesvereinigung Arbeitgeber Baden-Württemberg sieht man das allerdings eher entspannt. Rund die Hälfte der Abbrecher mache eine Berufsausbildung, rund ein Drittel wechselten direkt in einen Job, oft im IT-Bereich. „Dort entsteht kein neues Prekariat“, sagte Arbeitsmarkt-Geschäftsführer Stefan Küper. Das lässt auch der Verdienst in der Branche vermuten. Dieser betrug in Baden-Württemberg laut Studie im vergangenen Jahr im Monatsschnitt knapp 6200 Euro brutto und damit deutlich mehr als der Bundesschnitt von rund 5600 Euro.

Der hohe Verdienst könnte auch Fachkräfte aus dem Ausland anlocken. Wirtschaftsministerin Hoffmeister-Kraut will sich hier auf Bundesebene für eine erleichterte Zuwanderung einsetzen. Die Welcome-Center des Landes sollen zunehmend um qualifizierte Akademiker werben. „Die Center sollen sich künftig zusammen mit den entsprechenden Einrichtungen an den Hochschulen und den regionalen Wirtschaftsfördereinrichtungen verstärkt darum kümmern, ausländische Studierende an den Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg zu binden“, sagte Hoffmeister-Kraut.