Beim Projekt Stadt am Fluss geht es bisher oft darum, Natur und Freizeitmöglichkeiten am Neckar aufzuwerten. Nun wird im Rathaus ein großer Wurf fürs Wohnen angepeilt - doch das wird teuer.

Stuttgart - Der Preis ist hoch, der Wille im Rathaus seit Dienstag trotzdem klar artikuliert: Stuttgart soll zwischen dem Berger Steg und dem alten Kohlekraftwerk bei Wangen ans linke Neckarufer heranrücken und mehr denn je eine Stadt am Fluss werden. Dieses Signal hat am Dienstag der Ausschuss für Umwelt und Technik gegeben, als erstmals Ergebnisse einer Machbarkeitsstudie vorgestellt wurden – für die Verlegung der störenden Bundesstraße 10/14 nach unten und abschnittsweise auch vom Neckar weg.

 

Fast alle Gruppierungen erklärten die Bereitschaft, das Thema der Studie schrittweise umzusetzen. Einige schließen auch eine große Lösung mit einem rund 1,2 Kilometer langen Tunnelneubau für die Uferstraße nicht aus und lassen sich auch nicht von absehbaren Kosten in mittlerer dreistelliger Millionenhöhe schrecken.

Wohnungen für bis zu 7000 Menschen

Rund 267 Millionen Euro nannte das Ingenieurbüro Karajan als grobe Kostenschätzung für die Maximalvariante C. Die würde bedeuten, dass die B 10/14 zwischen dem Wasserwerk bei Berg und dem Straßenknoten bei Daimler vom Neckar weggeschwenkt sowie zwischen Berger Tunnel und Talstraße in einen Tunnel gelegt wird. Kosten für Leitungen, Kanäle und Grunderwerb sind noch nicht enthalten. Der Ertrag wären Wohngebäude entlang einer durchgehenden Neckarpromenade und im rückwärtigen Bereich. Der Tunnel würde zwar in der Grundwasserschicht der Erde verlaufen, müsste aber knapp oberhalb der Gipskeuperschicht bleiben – und deshalb mit der Erde und Begrünung darüber um 2,10 bis 4,60 Meter das jetzige Fahrbahnniveau überragen. Die neue Tunnel-Trasse müsse man sich daher als gekrümmten Grünstreifen durch das Entwicklungsgebiet hindurch vorstellen, hieß es. Doch zwischen diesem grünen Hügel und dem Neckar wie auch zwischen dem Neckar und einem oberirdischen neuen Straßenabschnitt im Bereich Gaskessel und Großmarkt könnte man sich neben Lärmriegeln aus Bürobauten bis zu 2500 Wohnungen für etwa 5000 bis 7000 Menschen vorstellen.

Gutachter neigen zur Variante C

Es geht um bis zu 21,2  Hektar (das sind etwa 50 Fußballfelder) Wohn- und 7 Hektar Gewerbefläche. Gerade wegen dieses großen Potenzials neigen die Gutachter und die Stadtplaner zur Variante C, die überdies der CDU und der SPD gefällt. Alexander Kotz (CDU) und Martin Körner (SPD) rieten aber auch, die Variante A nicht abzutun: ein Tunnel im Abschnitt zwischen Berger Steg und Gaswerk, der genau dem jetzigen Straßenverlauf folgen und rund fünf Meter hochragen, jedoch einen Zugang von den neuen Wohnhäusern aus zum Neckar ermöglichen würde. Der Vorteil, meinte die CDU, wäre eine frühere Realisierung. Die Grünen fühlen sich, so Gabriele Munk, momentan am ehesten von Variante D angesprochen: rund 550 Meter Tunnel, der einerseits auch an der Talstraße beginnen würde, auf der anderen Seite aber erst an der Poststraße. Dadurch könnte man das denkmalgeschützte Wasserwerk erhalten.

Ein Parkdeck über einem Kulturdenkmal?

Noch zu klären wird sein, ob auf dem Wasserwerkgelände einmal die Stadtwerke mit ihrem Netzbetrieb angesiedelt werden. Am Stöckach in der Innenstadt sollen sie neuen Wohnungen weichen, wegen Notfällen bei der Versorgung muss das Unternehmen von Stadt und EnBW aber einen stadtnahen Sitz haben. Die CDU wünscht sich den Firmensitz eher beim früheren Kohlelager der EnBW ein wenig neckaraufwärts. Die Grünen halten zumindest die Büros hier nicht für nötig. Der These der Stadtplaner, dass dieser Firmensitz der Vision von der Stadt am Fluss keineswegs den Garaus machen würde, auf dem Areal auch noch 33 Wohnungen möglich wären, begegnete der Ausschuss jedenfalls mit Skepsis. Das lag nicht zuletzt an der Idee, über einem Kulturdenkmal „aufgeständert“ 465 Stellplätze für Mitarbeiter zu bauen. „Ein Parkdeck über einem Denkmal – das ist ja eine tolle Vision“, spottete Luigi Pantisano (SÖS) von der Fraktionsgemeinschaft SÖS/Linke-plus. Er empfahl, zum Klimaschutz eine „wirkliche Vision“ fürs Neckarufer mit nur noch je zwei Fahrspuren pro Richtung anzupeilen – ohne Tunnel.

CDU will eine Philharmonie

Über die Nutzung der erhofften Entwicklungsflächen wird auch sonst noch zu reden sein. CDU-Fraktionschef Kotz, der wie fast alle Gruppierungen die Umsetzung der Vision entschlossen angehen will, möchte links des Neckars eine neue Philharmonie „mit Terrasse zum Neckar“ und hohem Erlebniswert – eher zwischen Berger Steg und Gaskessel, denn der Bereich altes Kohlelager eigne sich besser für Gewerbe. Die Grünen lehnten eine Philharmonie im Umfeld des Kohlelagers ab, die SPD zeigte sich generell skeptisch beim Stichwort Philharmonie am Neckar, hielt aber Kultur im Bereich Wasserwerk für möglich. Städtebaubürgermeister Peter Pätzold (Grüne) registrierte „breite Unterstützung“, die Umsetzung der Machbarkeitsstudie weiterzuverfolgen.