Immer weniger Fachleute wollen Bürgermeister werden. Der Verband Baden-Württembergischer Bürgermeister sieht jetzt das Land gefragt. Die Hürden für so genannte Spaßbewerber müssten höher gelegt werden. Und Frauen müssten sich mehr trauen.

Stuttgart - Wenn auf der A 81 die Autos mal wieder Schlange stehen, ist Michael Makurath oft live dabei. Nicht dass der Ditzinger OB (parteilos) dazu selbst in sein Fahrzeug steigen müsste. Die Staumeldung flattert ihm schon mal per Mail ins Rathaus, verbunden mit der Aufforderung, persönlich dafür zu sorgen, dass die lästige Verkehrsstörung behoben werde – und zwar zackig.

 

„Die Art des Umgangs miteinander befindet sich in einem dramatischen Umwälzungsprozess“, sagt der Präsident des Verbandes Baden-Württembergischer Bürgermeister. Die gesamte Gesellschaft sei aufgerufen, dieser „Erosion der üblichen Anstandsformen“ entgegen zu wirken.

Der Ton wird rauer

Denn der rauer werdende Ton, davon ist der Chef des 2000 Mitglieder zählenden Verbandes überzeugt, trage mit dazu bei, dass die Attraktivität seines Berufsstandes zu schwinden scheint. Das jedenfalls legt die Studie des Ulmer Politikwissenschaftlers Vinzenz Huzel nahe, die am Montag vorgestellt worden ist. Für die Studie hatte Huzel 2015 alle 1101 Bürgermeister angeschrieben. 531 Rathauschefs haben seinen Fragebogen beantwortet.

Demnach hat sich das Profil der Bürgermeister verändert. In Baden-Württemberg hat der klassische Bürgermeister eine Verwaltungsausbildung absolviert, ist jung und steht Parteien eher fern. Von 1990 bis 2015 ist aber der Anteil der Quereinsteiger ohne Verwaltungserfahrung von zehn auf 35 Prozent gestiegen. Dazu werden die Erstbewerber immer älter. In den 80er Jahren waren noch drei Viertel der Amtsinhaber bei ihrer Wahl jünger als 33. Heute sind das noch knapp 40 Prozent.

Insbesondere kleine Kommunen tun sich schwer

Huzel hat in seiner Studie auch „ernst zu nehmende Tendenzen eines Bewerbermangels“ ausgemacht. Bei den 1153 Schulteswahlen von 2008 bis 2015, die er für seine Studie ausgewertet hat, traten zwar durchschnittlich 2,3 Bewerber an. Bei den Wahlen, bei denen der Amtsinhaber nicht mehr angetreten war, lag der Durchschnitt sogar bei 4,0 Kandidaten.

Rein quantitativ lässt sich zwar noch kein Schwund belegen, aber insbesondere bei kleinen Kommunen unter 500 Bewerbern herrsche echter Bewerbermangel, sagt Huzel. Immerhin bei 21 Wahlen gab es nur einen Kandidaten, obwohl der Amtsinhaber auf eine Bewerbung verzichtet hatte, darunter sogar in drei Städten mit mehr als 20 000 Einwohnern.

Die Zählkandidaten der „Partei“ findet Makurath nicht lustig

Makurath macht weniger die Bewerbermasse Sorgen als die Qualität. Er verweist auf Bad Herrenalb. Dort standen bei der jüngsten Bürgermeisterwahl 29 Bewerber auf dem Wahlzettel, die meisten von der Satiregruppe „Die Partei“. Makurath findet das eher schädlich für das Ansehen seines Berufs. Der Bürgermeisterverband sieht deshalb das Land gefragt. Nicht nur in Städten mit mehr als 20 000 Einwohnern sollten Bewerber Unterstützerunterschriften sammeln müssen, so die Forderung, sondern überall.

Auch beim Gehalt sieht der Verband Nachholbedarf, weil die langen Arbeitstage von Rathauschefs gerade kleiner Kommunen nicht gerade üppig honoriert werden. Die Parteien müssten sich Gedanken machen, wie sie Nachwuchs gewinnen könnten. Vor allem aber brauche es Ideen, wie man Frauen für den Beruf gewinnen kann. Zwar hat mittlerweile jede zehnte Kommune im Land eine Frau an der Spitze. Im bundesweiten Vergleich liegt der Südwesten aber noch weit hinten. Obendrein bleibt damit ein hoch qualifiziertes Potenzial ungenutzt: Mehr als zwei Drittel der Absolventen an Verwaltungshochschulen sind Frauen. Doch nur die wenigsten trauten sich auch zu kandidieren.

Jeder zehnte Bürgermeister ist eine Frau