Neuankömmlinge sind meist gut qualifiziert, der Akademikergrad ist doppelt so hoch wie bei Einheimischen. Aber die Probleme der Gastarbeitergeneration bleiben.

Berlin - Eine neue Studie über die Situation der Migranten in Deutschland liefert ein geteiltes Bild. Während Neuankömmlinge im Schnitt besser qualifiziert sind als Einheimische, werden die geringen Aufstiegschancen der ersten Gastarbeitergeneration noch immer oft an die zweite und dritte Generation vererbt.

 

Die Erhebung des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung kommt zu dem Ergebnis, dass sich Deutschland „langsam, aber sicher“ zu einem modernen Einwanderungsland entwickle. Mit einem jährlichen Saldo von 440 000 Zuwanderern liege man mittlerweile auf Platz zwei der größten Einwanderungsländer. Der Anteil an Akademikern liege bei den Neuankömmlingen, die seit 2005 ins Land gekommen seien, doppelt so hoch wie bei den Einheimischen. Vor allem die Zuwanderer aus den krisengebeutelten südeuropäischen Staaten und aus den neuen osteuropäischen Mitgliedsländern der Europäischen Union trügen „wesentlich zur stabilen Wirtschaftslage in Deutschland bei“, heißt es in der Studie.

Deutschland gilt als attraktives Einwanderungsland

Bemerkenswert sei, dass auch die Migranten aus Rumänien und Bulgarien daran ihren Anteil haben. „Auch von dort kommen größtenteils gut bis hoch qualifizierte Migranten zu uns, die sich gut auf dem Arbeitsmarkt integrieren“, heißt es. „Von einer Armutszuwanderung als Massenphänomen kann keine Rede sein.“

Institutsleiter Reiner Klingholz warnte vor Selbstzufriedenheit. Die aktuell starke Zuwanderung, die den Fachkräftemangel und die demografischen Probleme momentan lindere, sei „kaum auf Dauer zu halten“. Jedenfalls dann nicht, wenn sich Deutschland nicht um Neuankömmlinge bemühe. Denn viele der neu Zugewanderten seien nicht nur hoch qualifiziert, sondern auch äußerst mobil. Sobald sich die Situation in ihren Heimatländern bessere, sei die Gefahr groß, dass sie wieder auswanderten. „Wir brauchen eine gezielte und einheitliche Integrationspolitik, um Deutschlands Ruf als attraktives Einwanderungsland weiter zu festigen“, fordert Klingholz.

Außerdem müsse sich Deutschland verstärkt um Fachkräfte im außereuropäischen Ausland bemühen. Die „Blaue Karte“ der EU, die hoch qualifizierten Einwanderern aus so genannten Drittstaaten den Zuzug erleichtern soll, sei ebenso wie das neue Anerkennungsgesetz für ausländische Berufsabschlüsse zwar zu begrüßen. Die bürokratischen Hürden seien aber noch immer zu hoch. „Nötig sind Anwerbeplattformen in den Herkunftsländern der Migranten“, fordert Klingholz.

Verpasste Integrationspolitik

So eindringlich die Forscher für Zuwanderung werben, so sehr warnen sie davor, die Migranten aus der Zeit der Gastarbeiter-Anwerbeabkommen sowie deren Kinder und Kindeskinder zu vergessen. Die „Altlasten verpasster Integrationspolitik“ müssten abgearbeitet werden. Die Nachkommen der meist unqualifizierten Gastarbeiter hinken ihren einheimischen Altersgenossen noch immer hinterher. Zwar habe sich die Lage der Migranten insgesamt verbessert. Das aber habe vor allem mit der guten Wirtschaftslage zu tun und weniger mit gelungener Integrationspolitik.

Die Gruppe der türkischstämmigen Gastarbeiter wies die schwächsten Ergebnisse auf. Dies sei auf das vergleichsweise niedrige Bildungsniveau der Zuwanderer zurückzuführen, das auch das deutsche Bildungssystem bisher nicht signifikant anheben könne. Deshalb seien türkische Migranten im Erwerbsleben auch weniger erfolgreich. Ein Hoffnungsschimmer seien allerdings die türkischen Mädchen. Denen sei es gelungen, stark aufzuholen.

Die Forscher bemängeln, dass es noch immer an politischen Konzepten fehle, „welche die Vorteile der Zuwanderung in den Vordergrund stellen, ohne die Herausforderungen zu missachten“. Um die Probleme mit Geringqualifizierten in den Griff zu bekommen, seien weitere Reformen des Bildungssystems nötig. Frühkindliche Bildung müsse stärker gefördert werden. Lehrer und Erzieher müssten besser auf den Umgang mit Kindern unterschiedlicher Herkunft vorbereitet und Schulen zu Familienbildungsstätten ausgebaut werden.