Für den Wissenschaftler ist es höchste Eisenbahn, sich von dem im Zuge von Stuttgart 21 geplanten neuen, aber konventionellen Signalsystem für die S-Bahn zu verabschieden. „Wir müssen die Pferde wechseln, bevor die Planungen für ein herkömmliches Signalsystem zu weit fortgeschritten sind“, fordert Martin. Andernfalls bleibe eine weniger flexible Technik über Jahrzehnte weiter bestehen. Die in der Planungsfeststellung für Stuttgart 21 für die S-Bahn vorgesehene Signaltechnik sei bei Weitem nicht so leistungsfähig wie eine ETCS-Lösung. „Deshalb ist dieses System die einzig realistische Lösung, um das wichtigste Nahverkehrsmittel im Ballungsraum Stuttgart wieder zu stabilisieren“, erklärt Ullrich Martin. Das für den Betrieb notwendige elektronische Stellwerk sei bei Stuttgart 21 ohnehin vorgesehen. Es werde zudem auch bei herkömmlicher Signaltechnik für die _S-Bahn benötigt.

 

„Die ETCS-Lösung auf der S-Bahn-Stammstrecke kann bis Ende 2021 verwirklicht werden“, glaubt der Wissenschaftler. Das sei ein äußerst ehrgeiziges, aber erreichbares Ziel. Die geschätzten Kosten lägen bei rund 50 Millionen Euro. Am teuersten sei die Ausrüstung der 150 S-Bahn-Züge vom Typ ET 423 und 430 mit dem notwendigen Empfangs- und Steuergeräten. „Das kostet rund 280 000 Euro pro Zug“, meint Martin. Der Einbau dauere etwa eine Woche. Die an der Strecke notwendigen Sensoren seien preisgünstiger zu haben. „Dann hätte Stuttgart eine hochmoderne S-Bahn-Steuerung und wäre weltweit ein Vorreiter.“

Region sieht Verantwortung bei der Bahn

Beim Verband Region Stuttgart (VRS) ist man hingegen skeptisch. Die Grundlagen für eine ETCS-Genehmigung fehlten in Deutschland noch, heißt es in einer Pressemitteilung. Das System scheine vielversprechende Möglichkeiten zu bieten. Bislang gebe es aber noch keine Erfahrungen mit ETCS in Deutschland.

Die Verantwortung für die künftige Signalisierung der Stammstrecke liegt für die Regionaldirektorin Nicola Schelling bei der Bahn. Der VRS verlange einen zukunftsfähigen S-Bahn-Verkehr „mit der früheren Qualität“. Laut Bahn könne künftig die geforderte Kapazität von 24 Zügen pro Stunde und Richtung ohne ETCS eingehalten werden. Interessant ist in diesem Zusammenhang eine Präsentation der Bahn für die S-Bahn München, in der für die Stuttgarter S-Bahn ebenfalls ein Bedarf für das ETCS-System genannt wird, um „Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit zu erhöhen“.