Eines vorweg: Mit Spinnen, Höhe oder engen Räumen haben die größten Ängste der Deutschen nichts zutun. Eine am Donnerstag veröffentlichte Studie legt offen, was die Bundesbürger am meisten beunruhigt.

Berlin - Das Ergebnis: vor allem das, was fremd und unkontrollierbar ist.

 

Wovor haben die Deutschen am meisten Angst?

Mehr als private Sorgen treiben sie gesellschaftliche und politische Themen um. Jeder Zweite fürchtet Konflikte durch Zuwanderung, wie eine repräsentative Studie der R+V-Versicherung ergab . Die Hälfte der Befragten sorgt sich darum, dass die zunehmende Zahl von Asylbewerbern die Politik überfordert. Größte Angst in diesem Jahr sind hohe Kosten für den Steuerzahler wegen der Schuldenkrise, gefolgt von Naturkatastrophen und Terrorismus. Aber auch um ihre Gesundheit machen sich die Deutschen Gedanken: Jeder Zweite fürchtet sich davor, im Alter ein Pflegefall zu werden. Fast ebenso viele haben Angst vor einer schweren Erkrankung.

Woher kommen diese Befürchtungen?

„Menschen brauchen Vorhersagbarkeit, Kontrollierbarkeit und vertraute Partner innerhalb einer sozialen Gruppe“, sagt Psychologe Peter Walschburger von der Freien Universität (FU) Berlin. „Alles, was dem entgegentritt, macht erstmal Angst.“ Das komme etwa bei der Sorge angesichts des Flüchtlingszustroms zum Tragen. „Der Mensch ist extrem gruppenspezifisch orientiert. „Fremdes wird deshalb eher mit Misstrauen als mit Neugier beäugt.“

Hat jeder Mensch andere Ängste?

Die großen Themen bleiben natürlich weitgehend gleich. Aber: „Ängste haben auch mit der Erziehung und der sozialen Situation zutun“, sagt Soziologe Andreas Schmitz, der an der Universität Bonn zu dem Thema forscht. „Jeder Mensch hat spezifische Ängste.“ Ältere Menschen machten sich beispielsweise mehr Sorgen um Krankheiten oder den Tod, weil diese Bedrohung für sie akuter sei als etwa für Jugendliche.

Sind Frauen ängstlicher als Männer?

Sie gehen zumindest offener damit um. „Es ist für einen Mann immer noch schwieriger, Ängste zuzugeben“, sagt Schmitz. Die R+V-Studie beobachtet gleichzeitig mehr Mumm beim weiblichen Geschlecht: „Die Frauen, die seit Beginn unserer Studie durchweg ängstlicher als die Männer waren, zeigen sich wesentlich couragierter als in der Vergangenheit und erreichen mit einem Angstindex von 40 Prozent den niedrigsten Wert seit Beginn unserer Befragung - mit nur noch einem Prozentpunkt Abstand zu den Männern.“ Einer jüngst veröffentlichten YouGov-Umfrage zufolge haben Männer zudem mehr Angst, verlassen zu werden: Jeder Dritte fürchtet sich davor, bei den Frauen ist es nur jede vierte.

Wie begründet sind die großen Sorgen vor Dingen, die von außen kommen - etwa Terrorismus oder Naturkatastrophen?

So mancher sollte sich wohl besser darüber Sorgen machen, dass ihn sein Partner verlassen könnte. Ein Beziehungs-Aus beispielsweise sei viel wahrscheinlicher als Opfer eines Terroranschlags zu werden, sagt Soziologe Schmitz. „Die medial inszenierten Großereignisse lagern sich bei vielen Menschen im Kurzzeitgedächtnis ein.“ Anders als persönliche Sorgen hätten Ängste vor externen Einflüssen aber ein Verfallsdatum. Die zeitweise sehr verbreitete Angst vor dem Ozonloch oder vor HIV sei irgendwann zum Beispiel abgeebbt, als die Themen medial nicht mehr so im Fokus standen.

Haben wir zu viel Angst?

„Der Mensch ist im Grunde kein Angsthase, sondern ein ziemlich unternehmungslustiges Wesen“, betont FU-Psychologe Walschburger. Angst-Forscher Schmitz hält sie sogar für gesund: „Aus soziologischer Sicht ist das ein ganz notwendiger Teil unserer Existenz.“