Der Report „Wie gesund lebt Deutschland?“ der Deutschen Krankenversicherung enthüllt: Corona hat die Deutschen zur Vielsitzernation gemacht, gesunder Lebensstil ist rückläufig. In einer Kategorie ist Baden-Württemberg sogar Schlusslicht.

In regelmäßigem Turnus erhebt die private Krankenkasse DKV seit 2010 mit einer repräsentativen Befragung von 2800 Personen den Gesundheitszustand der Deutschen. Mit Spannung ist diesmal der am Montag vorgestellte Bericht „Wie gesund lebt Deutschland?“ erwartet worden, fand die Erhebung doch von März bis Mai 2021 statt und ermittelte damit die Erfahrungen der Coronazeit. Abgefragt werden die Kategorien körperliche Aktivität, Ernährung, Rauchen, Alkohol und Stressempfinden. Das Fazit vorneweg: Nur elf Prozent der Bürger erreichen alle Werte für ein „rundum gesundes Leben“ – fünf Prozentpunkte weniger als noch 2018.

 

Fitnesswelle ist verebbt

Federführend ist die Studie von der Sporthochschule Köln erstellt worden, da wundert es nicht, dass sie als erstes Kriterium die „körperliche Aktivität“ bilanziert. Aber um die ist es nicht gut bestellt, nur 70 Prozent der Befragten werden zu den „Aktiven“ gezählt, die auf mehr als 1200 sogenannte MET-Minuten (metabolische Äquivalente) in der Woche kommen. Das entspricht mehr als fünf Stunden Bewegung in der Woche. Ein Anteil von elf Prozent gilt als Minimalisten, die sich nur 2,5 bis fünf Stunden pro Woche bewegen, was die Weltgesundheitsbehörde WHO als Mindestkorridor ansieht. Und der Rest von 19 Prozent übt sich im Stillstand – bewegt sich unzureichend mit weniger als 2,5 Wochenstunden.

Diese Werte für körperliche Aktivität stagnieren in jüngster Zeit, aber im Vergleich zu 2010 sind sie deutlich – um 13 Prozentpunkte – rückläufig. Zwar haben Jüngere in der Pandemie das Spazierengehen entdeckt – 55 Prozent gaben an, dies mehr zu tun –, zugleich sei aber Sport in der Coronazeit negativ dargestellt worden, bemängelt Professor Ingo Froböse von der Sporthochschule, der Autor der Studie: „Bewegung und Sport – wichtige Garanten für Gesundheit und Lebensqualität – wurden als Ort und Tätigkeit der Infektion dargestellt.“ Dieser Schaden werde noch in den nächsten Jahren zu spüren sein.

Das Phänomen der Vielsitzer

Ein anderes Phänomen ist zum Teil auch dem Homeoffice und Corona geschuldet: Mit im Schnitt 8,5 Stunden an Werktagen hat sich die durchschnittliche Sitzzeit der Deutschen im Vergleich zu 2018 um eine Stunde erhöht. Besonders häufig pflegten junge Leute zwischen 18 und 29 einen „sedentären Lebensstil“. Sie kommen gar auf 10,5 Stunden Sitzen an Werktagen – meist bei der Arbeit oder beim Konsum elektronischer Medien. Die Gesamtheit der Befragten sitzt meist bei der Arbeit (33 Prozent der Gesamtsitzzeit) und beim Fernsehen (29 Prozent). Aber auch beim gemütlichen Bücherlesen oder der Autofahrt. Die Forscher warnen, dass der Zusammenhang zwischen Vielsitzerei und Krankheiten wie Diabetes Typ 2, Fettleibigkeit, Bluthochdruck sowie Herz- und Gefäßkrankheiten erwiesen sei. Jeder Zweite habe ein „riskantes Sitzverhalten“. Interessante Erkenntnis über das Homeoffice: 82 Prozent gaben an, dass sie sich am Heimarbeitsplatz kaum Sitzpausen gönnten, obwohl sie genug Zeit dafür hätten. Wer abwechselnd im Büro und Homeoffice arbeitet, macht hingegen mehr Sitzpausen.

Essen, Alkohol, Rauchen

Beim Punkt gesunde Ernährung äußert sich der Autor der Studie ebenfalls enttäuscht: Die scheine für die Deutschen nach all den Jahren „keinen größeren Stellenwert“ einzunehmen. Nicht mal die Hälfte (47 Prozent) berichtet von einer ausgewogenen Ernährung – damit fällt der Wert auf das Niveau von 2012 zurück. 30 Prozent lassen sich von Süßigkeiten oder Knabbereien verführen, 15 Prozent verzehren täglich Fleisch, und weniger als ein Drittel essen fünf oder mehr Stücke Obst oder Gemüse pro Tag. Ältere ernähren sich besser als die 18- bis 29-Jährigen. Ein Lichtblick ist der stagnierende Alkoholkonsum: 82 der Befragten erreichen den Schwellenwert für einen „gesunden Umgang“ mit Bier, Wein und Schnaps. Leicht gestiegen ist der Tabakgenuss: Nur noch 76 sagten, sie kämen ohne Zigarette aus, vor drei Jahren waren dies noch 79 Prozent.

Neues Problem: Stress

Bringt der Stress die Menschen vielleicht zum Rauchen? Auffällig in diesem Jahr ist, dass der Stresslevel der Befragten deutlich zugenommen hat, es ist das höchste seit Beginn der Befragungen. Nur noch 40 Prozent der Bundesbürger sagen, sie könnten ihren Alltagsstress gut kompensieren. Vor Corona, im Jahr 2018, schafften das noch weit mehr als die Hälfte (57 Prozent). „Das sehe ich mit Sorge“, sagt Ingo Froböse, „denn eine dauerhafte psychische Stressbelastung mindert nicht nur die Lebensqualität, sondern kann krank machen.“

Am häufigsten gelingt den Befragten Stressabbau durch Bewegung, Lesen, Musikhören oder Sport. Gefragt nach den Herausforderungen der Coronapandemie sagten 67 Prozent, dass sie die wirtschaftliche Entwicklung als „besonders belastend“ empfunden hätten, gefolgt vom fehlenden Kontakt zu Freunden oder der entfernten Familie. Dabei sahen sich Frauen durch Corona stärker unter Druck als Männer: Bei der Arbeit, Kinderbetreuung und dem Homeschooling fühlten sie sich um bis zu 14 Prozentpunkte stärker belastet als Männer.

Südwesten bei den Schlusslichtern

Gemessen an allen Werten führen die Sachsen unter den 16 Ländern das gesündeste Leben. Auf den vorletzten Plätzen liegen Baden-Württemberg und Berlin, die in der Gesamtwertung nur knapp zehn Prozent der Benchmarks erreichen, die Rote Laterne trägt Nordrhein-Westfalen. Bei der gesunden Ernährung liegt Baden-Württemberg hinter Bayern gar auf dem letzten Platz. Ein Grund könnte in der relativen jungen Bevölkerung im Südwesten liegen. Bei den 30- bis 45-Jährigen ist der Lebensstil allgemein am ungesündesten. Stuttgart -

Vergleichswerte seit 2010

Der Autor der Studie ist Professor Ingo Froböse, Leiter des Instituts für Bewegungstherapie und bewegungsorientierte Prävention und Rehabilitation der Deutschen Sporthochschule Köln. Der Report erscheint zum sechsten Mal. Seit 2010 fragen die Kölner Wissenschaftler im Auftrag der Deutschen Krankenversicherung DKV nach körperlicher Aktivität, Sitzen, Ernährung, Rauchen, Alkoholkonsum und Stressverhalten.

Zeitraum
 Befragt wurden 2800 Menschen im Zeitraum zwischen März bis Mai 2021.