In Deutschland leben rund 250.000 Ausreisepflichtige, davon werden jedoch viele geduldet. Eine Studie kritisiert die Abschiebepolitik in Deutschland und sieht vor allem das Wirrwarr der zuständigen Behörden als Problem.

Berlin - Die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) ruft Bund und Länder dazu auf, die Zuständigkeiten für Abschiebungen zu reformieren. Die Rückkehrpolitik müsse „einheitlicher, menschlicher und zugleich ehrlicher werden“, um das Vertrauen der Bevölkerung wiederzugewinnen und um die Handlungsfähigkeit des Staates zu stärken, heißt es in einer DGAP-Studie. Demnach leben trotz mehrerer Gesetzesverschärfungen 250.000 Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus in Deutschland. Das sind doppelt so viele wie noch 2013. Jede zweite Abschiebung scheitert.

 

„Föderaler Flickenteppich“

Die Ursachen sieht die Leiterin des Migrationsprogramms der DGAP, Victoria Rietig, vor allem bei den deutschen Behörden. „Politiker lasten die Schuld an dieser Situation oft vorschnell und einseitig den nicht ausreisenden Migranten oder ihren Herkunftsländern an, doch viele Probleme sind in Deutschland hausgemacht“, sagte Rietig. Deutschlands Rückkehrpolitik sei ein „föderaler Flickenteppich, in dem Hunderte von staatlichen Akteuren uneinheitlich vorgehen“. Die Bundesländer müssten die Zuständigkeit für Abschiebungen stärker bündeln und die zuständigen Stellen finanziell und personell stärken, um einheitliche Entscheidungen und Prozesse zu ermöglichen. Vergangenes Jahr sind etwa 22.000 Menschen aus Deutschland abgeschoben worden.

Mehr als 27.3000 Ausreisepflichtige im Südwesten

Der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Mathias Middelberg, lehnt es ab, die Hauptverantwortung den deutschen Behörden anzulasten. „Bei Abschiebungen sprechen wir von vollziehbar ausreisepflichtigen Personen, bei denen nach einem aufwändigen rechtsstaatlichen Verfahren feststeht, dass sie tatsächlich nicht schutzbedürftig sind“, sagte Middelberg unserer Zeitung. „Unsere Mitbürger können daher zu Recht erwarten, dass diese Personen ihrer Ausreisepflicht nachkommen.“ Allerdings sieht auch der CDU-Politiker die Länder gefordert, „die den zur Verfügung stehenden Instrumentenkasten auch nutzen müssen, um die Ausreisepflicht konsequenter durchzusetzen“.

Eine weitere Schwachstelle ist der DGAP zufolge die hohe Zahl und die Dauer der ausgesprochenen Duldungen. Vier von fünf eigentlich Ausreisepflichtigen können derzeit nicht abgeschoben werden, etwa weil sie keine Ausweise besitzen oder weil ein Abschiebestopp für ihr Herkunftsland besteht. Manche Menschen befinden sich über Jahre in diesem Schwebezustand. Die Studienautoren fordern, den Betroffenen einen regulären Aufenthaltsstatus zu geben. „Statt Kettenduldungen und Unsicherheit, braucht es einen vereinfachten Zugang zum Bleiberecht“, sagte auch die Migrationsexpertin der Grünen-Fraktion, Filiz Polat, unserer Zeitung. „Menschen, die faktisch in Deutschland bleiben werden, sollen nach drei Jahren einen unbefristeten Aufenthaltstitel erhalten.“ In Baden-Württemberg leben rund 27.300 Ausreisepflichtige, davon knapp 3500 ohne Duldung.