Die von Dienstleistung und Digitalisierung bestimmte Arbeitswelt wandelt sich immer schneller. Für viele Arbeitnehmer bedeutet das flexiblere und manchmal auch ungünstigere Arbeitszeiten. An modernen Regeln dazu fehlt es bislang.

Frankfurt/Berlin - Arbeitnehmer in Deutschland müssen immer unregelmäßiger zum Job erscheinen. Wegen der stark gestiegenen Arbeitnehmerzahlen verbringen sie zwar im Schnitt weniger Stunden bei der Arbeit, dies aber zu ungünstigeren Zeiten. So haben von 1995 bis 2015 regelmäßige Tätigkeiten an Wochenenden, abends und in der Nacht teils deutlich zugenommen. Das geht aus einer Antwort des Bundesarbeitsministeriums auf eine Anfrage der Linken-Fraktion hervor, über die zunächst die „Passauer Neue Presse“ berichtet hatte.

 

Im vergangenen Jahr arbeiteten mehr als 1,7 Millionen Arbeitnehmer (4,8 Prozent) länger als 48 Stunden pro Woche, wie das Arbeitsministerium auf der Grundlage des Mikrozensus des Statistischen Bundesamtes und Zahlen des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) berichtete. 1995 haben nur 1,3 Millionen Menschen (4,2 Prozent) diese Wochenarbeitszeit regelmäßig überschritten.

Mehr Wochenenddienst und Schichtdienst

Damals gingen außerdem rund 6 Millionen Beschäftigte gewohnheitsmäßig samstags oder sonntags ihrem Beruf nach, 2015 hingegen schon 8,8 Millionen - und damit jeder vierte Erwerbstätige. Im Schichtdienst arbeite aktuell knapp jeder Sechste, hieß es weiter: Binnen 20 Jahren sei die Zahl der Schichtarbeiter von 3,8 Millionen auf 5,6 Millionen gestiegen. Auch abends (jeder Vierte) und nachts (jeder Elfte) müssen immer mehr Beschäftigte ran.

In Erwartung eines neuen Arbeitszeitgesetzes streiten Gewerkschaften und Arbeitgeber bereits über die dort zu regelnden Einzelheiten. Während die Arbeitgeber vor allem flexiblere Regeln und eine Abkehr vom starren Acht-Stunden-Tag fordern, betont der DGB das Recht der Arbeitnehmer, zu verlässlichen Zeiten abschalten zu können. Arbeitszeitregeln müssten zudem stärker mitbestimmt werden als bislang. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) hat ihre Bereitschaft zu flexibleren Regeln erkennen lassen, sofern diese zuvor über Tarifverträge geregelt würden.

Kampf den unbezahlten Überstunden

Die IG Metall will die Arbeitszeit zum zentralen Tarif- und Mobilisierungsthema der kommenden Jahre machen. In einem ersten Schritt hat IG-Metall-Chef Jörg Hofmann den unbezahlten Überstunden den Kampf angesagt. Auch die IG Metall stützt sich bei diesem Thema auf die weit höheren IAB-Zahlen, die für 2015 von fast einer Milliarde Stunden unbezahlter Überstunden ausgehen. Das Statistische Bundesamt kommt auf der Grundlage von Selbstangaben der Befragten (Mikrozensus) mit rund 494 Millionen unbezahlten Überstunden nur auf die Hälfte des Volumens.

Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) müsse dieser Tendenz und den damit verbundenen gesundheitlichen Risiken einen Riegel vorschieben, sagte Linken-Sozialexpertin Jutta Krellmann der „Passauer Neuen Presse“. Sie verlangte eine wirksame Anti-Stress-Verordnung und die Reduzierung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit.