Trotz einer Aufwertung der Pflegeberufe gibt es große Diskrepanzen bei der Vergütung. Ein Fünftel der ambulanten Altenpflegehelfer gerät mit dem Verdienst sogar in die Nähe des gesetzlichen Mindestlohns, wie eine Studie zeigt. Im Südwesten ist die Situation erträglicher.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Nicht nur in politischen Talkshows, sondern auch in der Bezahlung nimmt der Stellenwert der Altenpflege zu. So wurden zwischen 2012 und 2017 überdurchschnittliche Verdienstzuwächse – verglichen mit der allgemeinen Entwicklung der Gesundheitspflege – erzielt. Doch ist die Branche weiterhin von großen Diskrepanzen geprägt, wie eine von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Studie des Instituts Arbeit und Technik (IAT) an der Hochschule Gelsenkirchen aufzeigt. Nicht selten erzielen geringer qualifizierte Krankenpflegehelfer höhere Verdienste als dreijährig ausgebildete Altenpflege-Fachkräfte.

 

Große Spanne vom Krankenhaus bis zum ambulanten Dienst

2,7 Millionen Menschen arbeiten in der Pflege – etwa acht Prozent aller abhängig Beschäftigten in Deutschland. Auf die Altenpflege entfallen 1,3 Millionen. Der IAT-Analyse zufolge ist eine Tätigkeit für Altenpflege-Fachkräfte im Krankenhaus (mit 2880 Euro im bundesweiten Mittel) viel attraktiver als eine Tätigkeit im Pflegeheim (2308 Euro) oder im ambulanten Dienst (1991 Euro). Speziell in der politisch geförderten ambulanten Altenpflege müssen die Fachkräfte und die Altenpflegehelfer (1560 Euro) somit niedrige Löhne hinnehmen, weil dort selten nach Tarifvertrag gezahlt wird. Ein Fünftel der ambulanten Altenpflegehelfer kommt sogar in die Nähe des gesetzlichen Mindestlohns. Die IAT-Forscherin Michaela Evans hält dies für brisant, wenn „man sich verdeutlicht, dass 67 Prozent der Hilfskräfte in Teilzeit arbeiten und dann noch niedrigere Einkommen erzielen“. Dies sei „eine schwere Hypothek für die Arbeitskräftesicherung“ und die Gesellschaft insgesamt.

„In Baden-Württemberg haben wir eine nicht so dramatische Situation wie etwa in Niedersachsen, wo Diakonie und Arbeiterwohlfahrt (Awo) gerade angekündigt haben, dass sie sich wegen der schwachen Refinanzierung aus der ambulanten Pflege zurückziehen“, sagte Irene Gölz, die Landesfachbereichsleiterin der Gewerkschaft Verdi, unserer Zeitung. Im Südwesten hätten viele Menschen noch das Geld, um ihre Pflegekostenanteile zu bezahlen. „Wenn wir in eine höhere Altersarmut reingeraten, werden diese Zuzahlungen maximal unter Druck kommen.“ Noch können somit etliche Anbieter hierzulande wie Caritas, Diakonie, Deutsches Rotes Kreuz (DRK) und kommunale Träger auf dem Niveau des Tarifvertrags im öffentlichen Dienst (TVÖD) vergüten. „Jede Verbesserung bei der Entlohnung zahlen die Pflegebedürftigen über steigende Zuzahlungen“, erläutert die Verdi-Fachfrau. „Das ist die Crux der Altenpflege.“

Der „Paritätische“ tritt in den Arbeitgeberverband ein

Der Tarifvertrag sieht für eine normale Pflegekraft zwischen 2800 und 3500 Euro vor. Am unteren Ende gebe es selbst im Südwesten „mit Sicherheit Einrichtungen, die nur 2000 Euro bezahlen“, meint Gölz. Das starke Lohngefälle hängt einerseits mit den vielfältigeren Aufstiegsmöglichkeiten in Krankenhäusern zusammen. Andererseits findet ambulante Pflege oft auf dem Land statt, wo es die Anbieter ausnutzen, dass Frauen auf solche Jobs angewiesen sind.

Abhilfe schaffen soll ein allgemein verbindlicher Tarifvertrag Altenpflege, den Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) derzeit vorbereitet. Voraussetzung ist ein handlungsfähiger Arbeitgeberverband. Daher hat es Gewicht, dass neben Awo und DRK nun auch der Paritätische Wohlfahrtsverband den offiziellen Beschluss gefasst hat, sich „konstruktiv in die Konstituierung und Ausgestaltung des Verbandes einzubringen“, wie es heißt. Teil des Verbandes ist zum Beispiel der Arbeiter-Samariter-Bund.