Gewalt gegen Lehrer ist an deutschen Schulen keine Seltenheit. Dazu kommt eine aktuelle repräsentative Untersuchung im Auftrag des Verbandes Bildung und Erziehung.

Stuttgart - Laut einer Studie des Forsa-Instituts im Auftrag des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) kommt es auch in Baden-Württemberg regelmäßig zu psychischer Gewalt von Schülern gegen Lehrer, zum Teil auch zu körperlicher Gewalt. Allerdings trifft das Problem im Südwesten deutlich weniger zu als im bundesweiten Durchschnitt, wie eine Befragung von 1200 Schulleitern (darunter 251 aus Baden-Württemberg) ergab. So kam es im Südwesten an 45 Prozent der Schulen zu Fällen, in denen Lehrkräfte „direkt beschimpft, bedroht, beleidigt, gemobbt oder belästigt wurden“. Bundesweit liegt die Vergleichszahl bei 48 Prozent.

 

Rektoren sehen Kollegen „ausreichend unterstützt“

Weniger häufig kommen andere Delikte vor. So kam es an 16 Prozent der Schulen in Baden-Württemberg zu Diffamierungen, Belästigungen, Bedrohungen oder der Nötigung von Lehrern durch Schüler im Internet. Deutschlandweit liegt das Internetmobbing bei 20 Prozent aller Schulen. Von körperlichen Angriffen von Schülern auf Lehrer in den vergangenen fünf Jahren berichten ebenfalls 16 Prozent der befragten Schulleiter in Baden-Württemberg. Auch hier liegt die bundesweite Quote höher, nämlich bei 26 Prozent.

Wie mit dem Problem umgegangen wird, war auch ein Thema der Studie. In den meisten Fällen sei es gelungen, die betroffenen Kollegen „ausreichend zu unterstützen“, sagen 85 Prozent der befragten Rektoren in Baden-Württemberg (87 Prozent bundesweit). Aber immerhin ein Drittel der Schulleiter hält die Schülergewalt für ein Tabuthema. Knapp die Hälfte ist der Ansicht, dass mit dem Thema „weitgehend offen umgegangen wird“. Der Rest traut sich in dieser Frage keine Einschätzung zu. Gefragt wurde auch, was die Unterstützung von Kollegen im Mobbingfall bremst. Hier wurde mit großer Mehrheit (63 Prozent) geantwortet, dass sich die gewalttätigen Schüler uneinsichtig zeigten oder dass die Eltern nicht kooperationswillig seien (59 Prozent).

Gewalt gegen Lehrkräfte ist kein Randphänomen

Wie der VBE-Pressesprecher Benedikt Reinhard in Stuttgart ausführte, war die Frage nach verbaler oder körperlicher Gewalt sehr offen ausgelegt. „Das war eine niederschwellige Definition von Gewalt, jenseits der Polizeistatistik“, sagte Reinhard. So könnte etwa der Tritt eines Grundschülers vor das Schienbein eines Lehrers als Gewalt gelten, auch wenn es kein Fall für die Polizei sei. Bei der verbalen Gewalt sei nicht „ein rauer Ton“ erfasst, allerdings eine Beleidigung wie etwa „Arschloch“.

Der VBE-Landesvorsitzende Gerhard Brand nimmt die aktuelle Studie zum Anlass für einen Appell ans Kultusministerium: „Die Politik muss mit dem Märchen vom Einzelfall aufhören. Die Studie zeigt, dass Gewalt gegen Lehrkräfte kein Randphänomen ist, sondern an vielen Schulen vorkommt.“ Seit einer vorherigen Umfrage, in der 53 Prozent der Lehrer von psychischer und 13 Prozent von körperlicher Gewalt berichtet hatten, habe sich nichts getan. Der VBE fordere, dass Vorfälle von Gewalt gegen Lehrkräfte anonym in der amtlichen Schulstatistik erfasst werden. Das Land müsse eine klare Haltung gegen Gewalt gegen Lehrkräfte zeigen, wie es das bei Gewalt gegen Polizisten auch tue. Auch verlangt der VBE eine bessere Lehrerausbildung für ein angemessenes „Verhalten in Konfliktsituationen“ sowie Hilfe von Psychologen im Krisenfall.