Obwohl fast alle Gemeinden die Kitagebühren sozial staffeln, zahlen zwei von drei armen Familien Beiträge. Das kostet sie bis zu zehn Prozent ihres Einkommens. Doch Baden-Württemberg hält nichts von Beitragsfreiheit.

Gütersloh/Stuttgart - Arme Familien werden durch Kitabeiträge deutlich stärker belastet als wohlhabendere. Und das, obwohl in vielen Gemeinden eine soziale Staffelung der Gebühren gilt. Die Bertelsmann-Stiftung rät davon ab, alle Eltern von Kindergartengebühren zu befreien.

 

Ärmere Haushalte müssen zehn Prozent ihres Einkommens für die Kita ausgeben, bei wohlhabenderen Familien sind es nur fünf Prozent. Das hat eine Elternbefragung des Forschungsinstituts Infratest dimap im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung ergeben. Als armutsgefährdet gelten Haushalte, die über weniger als 60 Prozent des durchschnittlichen Einkommens verfügen.

Die Gebühren für die Kinderbetreuung schlagen bei ärmeren Familien im bundesweiten Durchschnitt mit 118 Euro zu Buche. Reichere müssen mit 178 Euro rechnen. Dazu kommen für alle etwa 45 Euro im Monat für Zusatzkosten wie Mittagessen, Ausflüge oder Hygieneartikel und Bastelmaterial.

Auch Arme würden mehr bezahlen

Trotzdem ist die Mehrheit von armen wie gut situierten Eltern bereit, noch mehr für die Kita zu bezahlen, wenn diese mehr Personal und eine bessere Ausstattung bekommt. In der Befragung „Elternzoom“ waren 53 Prozent der Eltern unterhalb der Armutsrisikogrenze bereit, für bessere Kitas höhere Beiträge zu akzeptieren. Zwei Drittel der armutsgefährdeten Familien bezahlen der Befragung zufolge Beiträge. Von den Wohlhabenden sind 59 Prozent bereit, mehr zu zahlen, wenn die Qualität besser wird.

Würde allein für die armutsgefährdeten Familien in Deutschland die Kitagebühren erlassen, würde das der Bertelsmann-Stiftung zufolge jährlich 730 Millionen Euro kosten. Eine solche Befreiung befürwortet Jörg Dräger, der Vorstand der Bertelsmann-Stiftung.

Gegen Gebührenfreiheit für alle

Von einer Beitragsfreiheit für alle, wie sie etwa die SPD vertritt, hält Dräger dagegen nichts. „Bundesweit fehlen Erzieherinnen und Erzieher, und die Betreuungsschlüssel stimmen in vielen Kitas nicht. Jetzt alle Eltern zu entlasten, würde den politischen Handlungsspielraum für den Qualitätsausbau unnötig verengen“, warnt Dräger. Er sagt, „erst Qualität dann Beitragsfreiheit.“ So argumentieren beispielsweise die baden-württembergischen Grünen.

Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) erklärt: „Wir setzen auf eine qualitative Weiterentwicklung der frühkindlichen Bildung und nicht auf eine rein strukturelle Mehrbelastung, die mit einer Gebührenfreiheit einherginge.“ Sie verweist darauf, dass die ersten Lebensjahre die lernintensivste Zeit seien. „Eine qualitativ hochwertige frühkindliche Bildung ist daher entscheidend. Sie ist außerdem das Fundament für mehr Bildungsgerechtigkeit“, sagt Eisenmann.

Dagegen fordert Leni Breymaier, die Chefin der Südwest-SPD, die Landesregierung auf, auch in Baden-Württemberg in die Gebührenfreiheit bei Kindertagesstätten einzusteigen. „Gebührenfreiheit und hohe Qualität in den Kitas dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden“, so Breymaier. „Die Regierung Kretschmann muss hier endlich ihre Blockadehaltung aufgeben. Andere Bundesländer machen es längst vor – und zwar mit Erfolg“, fordert die SPD-Landesvorsitzende.

Jörg Dräger von der Bertelsmann-Stiftung dagegen meint, den politischen Versprechen der Beitragsfreiheit fehle die finanzielle Substanz. Der Bund habe bisher für die aktuelle Legislaturperiode 3,5 Milliarden Euro zugesagt. Doch müsste der Staat jedes Jahr rund 5,7 Milliarden Euro aufbringen, wenn allen Eltern die Gebühren erlassen würden, hat die Stiftung ausgerechnet. Nimmt man die Zusatzkosten hinzu, kämen weitere 1,6 Milliarden im Jahr zusammen.

Andererseits sollten der Stiftung zufolge jährlich acht Milliarden Euro in den Qualitätsausbau der Kitas investiert werden. Damit könnte der Personalschlüssel verbessert, die Kitaleitung besser ausgestattet und kostenloses Mittagessen angeboten werden.

Baden-Württemberg gut positioniert

Baden-Württemberg steht im Ländervergleich ordentlich da. Die Personalstandards sind die besten. In den Kindergärten betreut eine Erzieherin im Schnitt 7,2 Kinder, in den Krippen kommen im Südwesten drei Kinder auf eine Fachkraft. Der Mittelwert in Westdeutschland ist bei Krippen ein Schlüssel von 1: 3,6. In den Kindergärten ist eine Erzieherin für 8,5 Kinder zuständig. Das hatte das Ländermonitoring frühkindliche Bildungssysteme 2017 der Bertelsmann-Stiftung ergeben. Im Osten sind die Betreuungsschlüssel deutlich höher.

Bei den Elternbeiträgen rangiert Baden-Württemberg genau in der Mitte der Bundesländer, auf dem achten Platz. Im Durchschnitt müssen die Eltern im Südwesten 6,5 Prozent ihres Einkommens für Kitabeiträge aufwenden. Deutschlandweit liegt der Durchschnitt bei 5,6 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens.

Am höchsten ist der prozentuale Anteil der Kitabeiträge am Einkommen in Schleswig-Holstein (8,9 Prozent), am niedrigsten in Berlin mit 2,0 Prozent.

Allerdings ist die Bandbreite recht groß. Im Südwesten geben manche Haushalte 15,5 Prozent ihres Einkommens für die Kitagebühr aus, andere nur 1,8 Prozent. Noch größer ist die Spanne in Hessen, dort reicht sie von 1,3 bis 15,6 Prozent, in Mecklenburg-Vorpommern gar von 2,1 bis 21,9 Prozent des Haushaltseinkommens. Im Bundesdurchschnitt liegt die Bandbreite zwischen 1,1 und 12,3 Prozent des Einkommens, das entspricht 30 beziehungsweise 390 Euro im Monat.

Zwei Stichproben

Für die Befragung wurden zwei gesonderte Stichproben erhoben. 4668 Befragte gehören zu einer bundesweiten Quoten-Stichprobe auf der Basis repräsentativer Merkmale. Außerdem wurden 5824 Eltern von Kitakindern befragt, dazu kamen 1036 Eltern, die ihr bis zu sieben Jahre altes Kind zuhause betreuen.