Pizza im Pappkarton, Pommes in der Styroporbox oder der Kaffee im Plastikbecher – Einwegverpackungen aus der Gastronomie sind zwar praktisch, führen aber zu Müllbergen, vor allem in Innenstädten. Die Stadt Tübingen führte deshalb Anfang 2022 eine Verpackungssteuer ein. Zahlen muss diese der Verkäufer der Speisen und Getränke: je 50 Cent für Einweggeschirr und Einwegverpackungen sowie 20 Cent für Einwegbesteck, höchstens aber 1,50 Euro pro Mahlzeit. Die Stadt erhofft sich dadurch, gegen das Müllproblem anzukommen. Auch in Esslingen wurde eine Prüfung dieser Steuer gefordert. Doch erfüllt die Verpackungssteuer überhaupt ihren Zweck?
Dieser Frage ist ein Team aus Studierenden des Fachgebiets für nachhaltige Entwicklung und Wandel an der Universität Hohenheim nachgegangen. Im Rahmen einer Studie haben Jasmina David, Claudia Schulz, Lisa Burgstaller und David Strifler das Konsumverhalten in Tübingen und Esslingen miteinander verglichen. Für die Studierenden waren die beiden Städte aufgrund ihrer Einwohnerzahl von rund 100 000 und ihrem Flair in der Innenstadt vergleichbar – doch in Tübingen gibt es eine Verpackungssteuer, in Esslingen nicht.
Frauen wählen eher Mehrwegalternativen
Jeweils eine Stunde verbrachten die Studierenden in zwei Cafés und einem Imbiss. „Die Imbisse haben wir zur Mittagszeit beobachtet, die Cafés am Nachmittag. So wollten wir die Stoßzeiten abfangen“, erklärt Burgstaller. Dabei nahm die Gruppe das Geschlecht, das geschätzte Alter und die Benutzung von Ein- oder Mehrwegverpackungen in ihre Studie mit auf. In Tübingen konnten 70, in Esslingen 34 Personen beobachtet werden. Weder Gastronomen noch Kunden wussten im Vorhinein Bescheid.
Die Studierenden konnten feststellen, dass in Tübingen mehr Personen zum Mehrweggeschirr griffen als in Esslingen. Allerdings sei das Ergebnis unter einer Reihe an Einflüssen zu betrachten, räumt David ein: „In Esslingen gibt es in einigen Imbissen und Cafés gar nicht die Möglichkeit, das Essen in Mehrwegverpackungen mitzunehmen.“ Zudem sei die Studie nicht repräsentativ und solle nur ein Umdenken anstoßen.
Zu Beginn hat das Team zwei Annahmen getroffen, die es durch die Studie bestätigen oder widerlegen wollte. So gingen David, Schulz, Burgstaller und Strifler davon aus, dass Frauen Mehrweg-Optionen eher nutzen als Männer. Außerdem schätzten sie die Bereitschaft von jungen Erwachsenen höher ein. Grundlage für diese Annahmen waren verschiedene Studien. „Wir lagen mit beiden Annahmen richtig. Besonders in Tübingen konnten wir das beobachten. Gleichzeitig war hier der Großteil der Kunden zwischen 20 und 30“, sagt Burgstaller. Um die Bereitschaft der Gastronomen zu ermitteln, sprachen die Studierenden im Anschluss ihrer Beobachtung mit ihnen. „Als wir die Verkäufer in Esslingen darauf ansprachen, warum sie keine Mehrwegverpackungen anbieten, sind wir auf Kopfschütteln gestoßen, teilweise wurden wir belächelt“, erzählt David. Den Stadtbecher halten die Studierenden für ein gutes Konzept.
„In Tübingen konnte man eine gewisse Frustration wahrnehmen“, gibt David Einblicke in die Studie. Einigen Kunden sei nicht klar, dass die Verpackungssteuer von der Stadt und nicht von den Gastronomen selbst beschlossen wurde. „Die Leute beschweren sich bei den Ladenbesitzern, dabei können die gar nichts dafür. Ich finde, da müsste die Stadt mehr machen und besser aufklären“, sagt David, „das A und O, wenn man so etwas einführen möchte, ist es, den Gastronomen und Konsumenten zu vermitteln, warum man diesen Schritt geht“.
Gastronomen klagen über Unmut der Kunden
Ob es zur Einführung der Verpackungssteuer in Esslingen kommt, ist unsicher. Birgit Strohbach, Leiterin der Esslinger Stadtkämmerei, hält eine solche Zwangsabgabe prinzipiell für zielführend, doch man müsse erst die Erfahrungswerte aus Tübingen abwarten. Neben ihrem Nutzen bedeute eine solche Steuer aber auch Aufwand für die Stadt, räumt Strohbach ein. „In Esslingen sehe ich die Einführung einer Verpackungssteuer gerade nicht, die Grundsteuerreform wird die Stadtkämmerei in den nächsten zwei Jahren vollends auslasten“, erklärte die Stadtkämmerin kürzlich im Verwaltungsausschuss.
Eine erste Maßnahme für weniger Verpackungsmüll in der Gastronomie traf die Stadt Esslingen im Rahmen der Klima-Initiative Esslingen&Co bereits 2018: Es wurden Mehrweg-Pfandbecher, die mit Esslinger Motiven bedruckt sind, eingeführt. Zwei Euro Pfand müssen Kunden für die nachhaltige Alternative zahlen. Nach Angaben der Stadt soll ein Becher bis zu 1000-mal genutzt werden können. Statt auf dem Müll landet der Becher nach dem Kaffee- oder Teegenuss in der Spülmaschine und kann anschließend in allen teilnehmenden Geschäften wieder zurückgegeben werden. Seit seiner Einführung wurde der Stadtbecher rund 13 000-mal an teilnehmende Betriebe wie Bäckereien und Gaststätten verliehen – dafür hat die Stadt rund 8700 Euro in die Produktion investiert. Auch andere Kommunen im Kreis zeigen Interesse an der Verpackungssteuer. In Nürtingen wolle man sich im Gemeinderat mit dem Thema näher befassen und Kosten sowie Aufwand und Nutzen abwägen, sagte Oberbürgermeister Johannes Fridrich. Köngens Rathauschef Otto Ruppaner hält grundsätzlich jede Maßnahme zur Müllreduzierung für begrüßenswert.
Esslingen und das Müllproblem
Illegaler Abfall
Die Stadt Esslingen musste in den Jahren 2020 und 2021 einen extremen Anstieg von illegal abgeladenem Müll verzeichnen. Im Jahr 2019, also vor der Pandemie, wurden in Esslingen 9,5 Tonnen an sogenanntem wilden Müll aufgesammelt. Diese Menge stieg 2020 sprunghaft an auf 14 Tonnen und 2021 sogar auf 21,5 Tonnen. In nur zwei Jahren verdoppelte sich also der wilde Müll. Nicht in diesen Angaben enthalten ist der illegal entsorgte Sperrmüll – der wurde vom Landkreis eingesammelt.
Mülleimer
Die 400 öffentlichen Mülleimer werden zwei Mal täglich geleert, am Wochenende ein Mal. In den Außenbezirken werden sie ein Mal am Tag geleert. Die Stadt möchte prüfen, ob „intelligente Mülleimer“ mit Sensoren, die melden, wenn der Eimer voll ist, sinnvoll sein könnten. 77 Hundekotbehälter gibt es zurzeit in Esslingen. Laut Stadtverwaltung sind diese auch mit anderem Müll verstopft. Das erschwere die Leerung.