Ein Gutachten zeigt: der Ausbau der Strecke zwischen Stuttgart und Zürich wäre billiger als gedacht. Bringt der Bundesverkehrsminister das Projekt jetzt endlich aufs richtige Gleis?

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Stuttgart - Der Einsatz von Neigetechnikzügen könnte die Fahrt auf der Gäubahn zwischen Stuttgart und Zürich tatsächlich deutlich schneller machen. Das geht aus einem Gutachten hervor, das der Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) vorgelegt hat. Dabei sei erstmals auch eine Betriebssimulation erstellt worden. Demnach könnte die Fahrtdauer zwischen den beiden Städten um 19 Minuten sinken. Gegenwärtig sind die Intercity-Züge knapp drei Stunden unterwegs. Wer in Stuttgart oder Zürich umsteigt, gewinnt durch verbesserte Anschlüsse sogar eine halbe Stunde, glauben die Gutachter.

 

An drei Stellen müsste die Strecke, die südlich von Horb nur eingleisig ist, ein zweites Gleis erhalten. Zwischen Gärtringen und Herrenberg wäre wegen des S-Bahn-Verkehrs ein drittes Gleis notwendig. Kostenpunkt für alles: maximal 285 Millionen Euro. Würde man vor dem Bahnhof in Singen eine Kurve einbauen, die das Wenden überflüssig machen würde, würden andere Maßnahmen verzichtbar, so dass der Preis auf 220 Millionen Euro sänke. Weil dann aber unklar ist, wie die Menschen in Singen in den Zug kommen, ist diese Variante in Südbaden unbeliebt.

„Manche Ortsumfahrung ist teurer“

Hermann nannte aber auch die höhere Investitionssumme „vergleichsweise überschaubar“. Selbst eine Ortsumfahrung im Tunnel mit gerade mal 2,5 Kilometer Länge koste heute so viel, sagte Hermann in Anspielung an den Einhorntunnel der B 29 in Schwäbisch Gmünd. Auch sein Kabinettskollege Gudio Wolf (CDU) sprach von „moderaten“ Kosten. Der Justizminister ist Vorsitzender des Interessenverbandes Gäu-Neckar-Bodensee-Bahn. Bisher waren für den kompletten zweigleisigen Ausbau der Strecke mehr als eine Milliarde Euro veranschlagt worden.

Im Entwurf des Bundesverkehrswegeplans war die Gäubahn zuletzt aus dem vordringlichen Bedarf herausgeflogen. Dies würde einem faktischen Planungsstopp für die kommenden Jahre bedeuten. Hermann sieht in dem Gutachten, das er verabredungsgemäß Ende August nach Berlin weitergeleitet habe, nun ein klares Signal an Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU). „Es gibt keine Gründe mehr, den Ausbau der Gäubahn zu verschieben. Die Strecke Stuttgart-Zürich muss in den vordringlichen Bedarf“, sagte der Landesverkehrsminister. Zeit für eine Korrektur wäre noch. Der Bundestag wird voraussichtlich erst im Dezember in dritter Lesung den neuen Verkehrswegeplan verabschieden.

Rückkehr zur Neigetechnik ohne die Deutsche Bahn?

Neigetechnikzüge wären auf der kurvenreichen Gäubahn kein Novum. Bis 2010 hatte die Deutsche Bahn dort entsprechende ICE-Garnituren im Einsatz. Jedoch gab es immer wieder Probleme, so dass sich die Bahn komplett aus dieser Technik zurückgezogen hat. Hermann hofft darauf, dass die Schweizer Bahn (SBB) einspringt, die auch gegenwärtig das Wagenmaterial für die Intercity-Züge auf der Strecke stellt. Demnächst werden entsprechende Züge auf der Gotthardroute frei. Darauf setzt auch Wolf. Der Bund dürfe sich nicht „von einer in zahlreichen europäischen Ländern erfolgreich eingesetzten Technik verabschieden nur weil die DB keine Züge mit Neigetechnik mehr einsetzen will“.

Als Verbandssprecher der Anrainergemeinden verwies Wolf auf deren wachsende Ungeduld hin. Nächste Woche stehe „ein trauriges Jubiläum“ an, sagte der CDU-Politiker. Exakt vor 20 Jahren hatten sich Deutschland und die Schweiz im Vertrag von Lugano dazu verpflichtet, die Fahrtzeit zwischen Stuttgart und Zürich schrittweise auf zwei Stunden und 15 Minuten zu verkürzen. „Die Schweiz hat inzwischen mehr als 120 Millionen Euro in den Ausbau ihres Streckenabschnitts investiert, bei uns in Deutschland wurde dagegen kein einziger Cent verbaut“, sagte Wolf.

Die Bayern sind mal wieder schneller, oder?

Übrigens wurde damals auch eine Fahrtzeitverkürzung für die Strecke München-Zürich auf 3:15 Stunden vereinbart. Tatsächlich sind die Bayern schon weiter. Die schnellste Verbindung dauert 3:42 Stunden – allerdings im ICE-Bus. Der Zug braucht mehr als eine halbe Stunde länger.