Das Anna-Herrigel-Haus in Bad Cannstatt hat als Wohnheim für Frauen eine lange Geschichte. Das Studierendenwerk Stuttgart führt sie fort. Das sanierte Haus bietet nun 29 Zimmer für Studentinnen an.

Bad Cannstatt - Das Haus in der Wildbaderstraße hebt sich mit seinen bunten Fensterlaibungen und der riesigen Hausnummer an der Fassade nicht nur optisch von den Nachbargebäuden ab. Es ist auch kein gewöhnliches Mietshaus. Hier betreibt das Studierendenwerk Stuttgart das einzige Wohnheim, in den nur Frauen leben. Im Anna-Herrigel-Haus stehen ihnen jetzt insgesamt 29 Einzelzimmer zur Verfügung – frisch renoviert und neu möbliert. Ab Mittwoch können sie bezogen werden. „Es gibt noch einige freie Plätze“, sagt Anita Bauer vom Studierendenwerk. Die zwischen 13 und 22 Quadratmeter großen Zimmer kosten zwischen 295 und 345 Euro Miete im Monat.

 

Ein Jahr lang wurden das Erdgeschoss sowie das erste und zweite Obergeschoss des aus den 1950-Jahren stammenden Gebäudes kernsaniert – nachdem es bereits 2009/2010 energetisch auf den neuesten Stand gebracht wurde. Alle alten Leitungen, die Heizungsanlagen und Böden wurden erneuert, zudem der Grundriss verändert. So entstanden auf jeder Etage zwei zusätzliche Zimmer – zwei mehr als vorher. Sie sind ausgestattet mit Schreibtisch, Stuhl, Regal, Schrank und Bett. Zudem gibt es auf jeder der drei Etagen nun drei separate Bäder und eine große Gemeinschaftsküche, die als Aufenthaltsraum genutzt werden kann. Es gibt darüber hinaus einen großen Gemeinschaftsraum für alle Bewohnerinnen, eine Waschküche, einen Fahrradkeller und auch der große Garten hinterm Haus kann von allen genutzt werden. „Es ist uns ein besonderes Anliegen, das Gemeinschaftsleben in den Wohnheimen zu fördern“, betont Bauer. Alles in allem hat das Studierendenwerk 1,1 Millionen Euro investiert, um günstigen und dennoch zeitgemäßen Wohnraum für Studierende zu schaffen. Das Haus direkt am Kurpark hat eine bewegte Geschichte. Bis zum Jahr 1943 stand hier das „Jakobiheim“, das Margarethe Jakobi 1910 den Cannstatter Lehrerinnen gestiftet hatte. 1943 durch Fliegerbomben zerstört, konnte das Haus 1953/54 dank der tatkräftigen Bemühungen von Anna Herrigel wieder aufgebaut werden. Sie, die an der Volksschule Gaisburg unterrichtete und von 1946 bis 1948 für die CDU im Stuttgarter Gemeinderat saß, gründete hier ein Wohnheim für 18 unverheiratete Lehrerinnen. Denn damals war es für alleinstehende Frauen generell unüblich, in einer eigenen Wohnung zu leben.

Von 1954 bis 1986 befand sich das Haus in Besitz der Lehrerinnenvereinigung Stuttgart. Die Zeiten änderten sich indes, mit den Jahren wurde es auch für Frauen völlig normal, alleine zu wohnen. So ging die Nachfrage nach Zimmern im Cannstatter Lehrerinnen-Wohnheim zurück. Die Vereinigung, der Anna Herrigel bis zu ihrem Tod 1955 angehörte, wollte jedoch, dass das Haus unter einem sozialen Aspekt weitergeführt wird und vermachte es vor knapp 20 Jahren dem Studierendenwerk Stuttgart – verknüpft mit zwei Bedingungen: Die Zimmer dürfen ausschließlich an Studentinnen vermietet werden und alle Lehrerinnen, die zum Zeitpunkt der Übernahme noch in dem Gebäude wohnen, dürfen dort auf Lebenszeit verbleiben. „Bis heute wird noch ein Zimmer im Anna-Herrigel-Haus von einer ehemaligen Lehrerin bewohnt“, berichtet Bauer. Die ältere Dame lebe in einem der fünf im Dachgeschoss befindlichen Zimmer.