Aber nicht in die Jahre gekommen: das Studio Theater in Stuttgart feiert sich zum 50. Geburtstag ausnahmsweise mal selbst – das von Christof Küster künstlerisch geleitete Haus setzt ansonsten auf Uraufführungen und Politstücke, gern auch mit Gesang.

Bauen/Wohnen/Architektur : Nicole Golombek (golo)

Stuttgart - Das Theater putzt sich heraus, die Sommerferien sind in diesem Jahr ausgefallen. Zwar herrschte während der spielfreien Zeit schon bald kühle Ruhe im Zuschauerraum des Studio Theaters. Dafür gab es im Hinterhof des an der viel befahrenen Hohenheimer Straße 44 gelegenen Bühne jede Menge Geklöppel und Geschleife. Eingang und Foyer werden renoviert, bekommen auch einen neuen Fußboden. Der künstlerische Leiter Christof Küster (50), kürzlich ebenso alt geworden wie das Theater und die Theaterleiterin Esther Bernhardt (55) halten den Handwerkerlärm gelassen aus – alles soll schön werden für die Zuschauer, die mit den Theaterleuten ein halbes Jahrhundert Studio Theater feiern können.

 

„Standbein Spielbein“ ist die längst ausverkaufte Jubiläumsfete betitelt, die am 5. Oktober um 18 Uhr steigt. Und falls im nächsten Sommer wieder so hohe Temperaturen herrschen wie in diesem Jahr“, sagt Küster, „müssen wir dann keine Fächer mehr verteilen“. Das Haus hat eine Klimaanlage bekommen.

Alte Video-Cassetten, Hymnen und Verrisse

Die im Souterrain eines alten Backsteinhauses gelegenen Büros sind auch im Hochsommer vergleichsweise kühl, hier saß Christof Küster nach einem kurzen Sommerurlaub an den letzte Planungen fürs Jubiläumsfest, sichtete alte Videokassetten mit alten Inszenierungen, las sich durch Hymnen und Verrisse der Produktionen der vergangenen Jahrzehnte.

Unterstützt wird das Studio Theater beim Renovieren nicht nur von Theaterfreunden, die Mittel spendieren, sondern auch ganz offiziell. Die Stadt fördert mit 266 000 Euro jährlich. Seit 2015 erhält das Studio Theater mit seinen insgesamt drei Vollzeitstellen auch vom Land Baden-Württemberg 80 000 Euro pro Jahr. Christof Küster ist nicht fest angestellt am Theater, er bekommt ein monatliches Honorar und ein Honorar für jede Regiearbeit. „Das hat wirklich geholfen, wir haben seither eine Planungssicherheit, mehrere Produktionen pro Saison stemmen zu können“, sagt Christof Küster.

Und mehr künstlerische Freiheit: Davor musste das Haus für jede Produktion Fördermittel beantragen genau so wie freie Theatergruppen für ihre Projekte auch. Gefiel das Projekt nicht, gab es kein Geld – also keine Premiere. „Jetzt können wir auch einmal einen Theaterklassiker zeigen, solche Stücke werden ja von den Jury, die Gelder vergeben, meist nicht gefördert, weil sie das nicht für innovativ genug halten.“ Doch auch kleine Theater haben – trotz oder gerade wegen ihre bescheideneren technischen Mittel – Möglichkeiten mit einem klassischen Bühnentext anders und mindestens so innovativ umzugehen wie die großen Häuser. Innovativ zu sein ist Küster ein Anliegen sowohl im Haus wie auch mit seiner freien Gruppe mit dem sperrigen Namen „Theater – Projekt Stuttgart 22 – Stücke“. Immer wieder wird das Haus auch genannt, wenn es um die Kür der interessantesten kleinen Theater der Republik geht.

Anfang mit einer Laiengruppe

Angefangen hatte das Hinterhoftheater – wie das Studio Theater sich bescheiden untertreibend immer noch nennt –, als religiöses Tourneetheater, dann als semiprofessionelle Gruppe, die Stücke erarbeitete. Zum Debüt waren drei anspruchsvolle Einakter zu sehen: „Gebet“ von Fernando Arrabal, „Der Hirsch“ von Slawomir Mrozek und „Ein Mantel nach Maß“ von Wolf Mankowitz. Norbert Laubacher leitete das Theater von 1980 bis 1998 – seit 1981 herrscht regelmäßiger Spielbetrieb. Im Jahr 1998 kam das Kindertheater Kruschteltunnel dazu, das älteste Kindertheater der Stadt. Auf Laubacher folgten Carl Häser (1999 bis 2003) und Cornelius Gohlke (bis 2008). Rund 200 Inszenierungen kamen seit 1969 auf die Bühne.

Manche Theaterleute wie die Regisseurin Nadine Klante und die Schauspielerin Ulrike Tscharre (in der „Lindenstraße“ spielte sie Marion Beimer), die im Studio Theater ihre Karriere starteten, haben längst auch im Film und Fernsehen Karriere gemacht. „Was aber das Haus immer schon und immer noch auszeichnet, ist, dass alle mit Herzblut dabei sind“, sagt Küster. „Schauspieler bügeln selbstverständlich ihre Kostüme selber, beim Bühnenbildbauen wird jede Schraube dreimal verwendet.“

Das Haus hat sich seit Beginn von Christof Küsters Zeit als künstlerischer Leiter und Esther Bernhardt als Theaterleiterin im Jahr 2008 noch einmal anders positioniert. Ambitionierte Reihen über Strindbergs Dramen sind hier ebenso zu sehen wie Dramen aktuell gefragter Theaterautoren von Philipp Löhle etwa oder Lot Vekemans, Live-Hörspiel-Produktionen sowie die heute so beliebten Romanadaptionen – und ja, auch mal ein Musical ist auf dem Spielplan zu finden gewesen.

Unterhaltung mit politischem Anspruch

Stücke, die Geld in die Kasse spülen, stehen schon auch auf dem Spielplan, aber mit politischem Anspruch. Sei es das Stück über den SPD-Politiker Martin Schulz, beruhend auf dem Bestseller „Die Schulz Story“ von Markus Feldenkirchen. Sei es „Die Schlichtung“ über das Projekt Stuttgart 21, das auch überregional und vom Fernsehen beachtet wurde. Mit drei Produktionen ist das Haus zudem zu den Privattheatertagen in Hamburg eingeladen worden – und Küster hat Preise dort geholt, für seine Inszenierungen „Maria Magdalena“ von Hebbel (2015) und im vergangenen Jahr für „Hungaricum“ von den Brüdern Presnjakow.

„Wir versuchen, kein Gefälligkeitstheater zu machen, freuen uns aber natürlich über jede ausverkaufte Vorstellung“, sagt Küster. Damit ist auch bei der ersten großen Premiere der Saison am 1. November zu rechnen. Küster hat sich die Rechte an dem 2016 mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichneten Bestseller von Bodo Kirchhoff gesichert: „Widerfahrnis“. Gespielt werden wird in Stuttgart und in Hamburg, das Altonaer Theater ist in die Produktion mit eingestiegen.