Sturmgewehr für die Bundeswehr Prestigeverlust für Heckler & Koch

Das Sturmgewehr G36 soll bei der Bundeswehr abgelöst werden – aber nicht mit einer Waffe von Heckler & Koch. Foto: dpa/Patrick Seeger

Die Bundeswehr will den Suhler Waffenhersteller Haenel mit der Lieferung des neuen Sturmgewehrs beauftragen. Der Verlust des Großauftrags könnte langfristige Nachteile für die Oberndorfer haben, die nun eine Klage vor Gericht erwägen.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Die eigentlich für Ende September angekündigte und nun vorgezogene Entscheidung hat selbst Intimkenner der Verhältnisse überrascht: Nicht Heckler & Koch, sondern der Thüringer Waffenhersteller C. G. Haenel soll die Bundeswehr mit 120 000 neuen Sturmgewehren mitsamt Zubehör ausstatten. Der Auftrag zur Ablösung des G36 hat einen Umfang von 245 Millionen Euro. Diese Niederlage ausgerechnet in ihrer Paradedisziplin ist vor dem Hintergrund der schwierigen Wirtschaftslage ein schwerer Rückschlag für die Oberndorfer.

 

Damit geht eine Ära zu Ende, denn schon 1959 haben die Schwarzwälder mit dem G3 ihre ersten Sturmgewehre an die Bundeswehr geliefert. „Das Ergebnis der Auswertung ist noch nicht rechtswirksam“, teilte das Bundesverteidigungsministerium mit. „Unterlegenen Bietern steht immer der Rechtsweg offen.“ Genau diesen Weg will Heckler & Koch offenbar gehen. „Wir werden die Entscheidung juristisch ausführlich prüfen und alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen“, kündigte Vorstandschef Jens Bodo Koch an.

„Die Jobs in Oberndorf sind sicher“

Heckler & Koch hatte sich mit zwei Gewehren an der Ausschreibung beteiligt: mit dem HK 416 – das als Standardwaffe schon in Norwegen, Frankreich und bei den US Marine Corps sowie als Sturmgewehr bei diversen Spezialkräften eingesetzt wird –, sowie mit der neuen Generation HK 433. Die Ablehnung dieser Angebote hat aus Sicht des Vorstands aber „keine unmittelbaren Folgen“ für die 950 Beschäftigten am Standort Oberndorf. „Wir haben nach dem Wechsel des Mehrheitsaktionärs vor Wochen erklärt, dass die Jobs in Oberndorf sicher sind“, sagte Finanzvorstand Björn Krönert. „Daran hat sich nichts geändert.“ Die Auftragsbücher seien „sehr gut gefüllt“. Die Zahl der Bestellungen aus aller Welt sei „höher, als wir derzeit abarbeiten können“, so Koch.

Er erneuerte die Botschaft von Ende August: „Heckler & Koch ist wieder ein profitables Unternehmen.“ Da hatte er nämlich zur Hauptversammlung verkündet, dass der Gewinn nach Steuern von 0,4 Millionen Euro im ersten Halbjahr 2019 auf 7,6 Millionen Euro im ersten Halbjahr 2020 gestiegen sei. Dies seien lediglich „Augenblickszahlen“, heißt es allerdings von Insidern. Die Situation sei nicht so rosig, wie es den Anschein habe. Gemessen an den Auftragseingängen und an der Verbreitung der Produkte sei der Gewinn sehr gering. Dieser Umstand ist vor allem im Hinblick auf den hohen Schuldenberg mehr als 230 Millionen Euro brisant. Denn 2022 sind hohe Kredite fällig, die die Firma nicht aus eigener Kraft zurückzahlen kann. Sie hätte einen solchen Großauftrag wie die G36-Nachfolge gebraucht, um wieder sicher in die Gewinnzone zu kommen und einen Beitrag zum Schuldenabbau leisten zu können.

Auf längere Sicht ein echtes Problem

Wirtschaftlich kritisch ist der Ausgang des Bieterverfahrens perspektivisch gesehen, weil damit ein Prestigeverlust einhergeht. In Deutschland werden Rüstungsgüter vor Erwerb und Einführung so intensiv geprüft wie sonst nirgends. Daher vertrauen gerade kleinere Nato-Mitglieder auf die Auswahl des Verteidigungsministeriums beim Waffenkauf. Auch der G36-Nachfolger dürfte sich im Bündnis als Standardwaffe etablieren. Wenn nun die Suhler Firma Haenel sozusagen der neue Hoflieferant der Bundeswehr wird, werden alle Nationen, die in nächster Zeit eine neue Generation von Waffen einführen, sich sorgfältig überlegen, ob sie noch ein Produkt von Heckler & Koch nehmen.

Ausschreibungssieger Haenel soll die Bundeswehr, für die der Generalinspekteur Eberhard Zorn das letzte Wort hat, mit etwas besseren technischen Resultaten und einem günstigeren Angebot beim MK556 (Maschinenkarabiner im Kaliber 5,56 mm) überzeugt haben. Haenel liefert schon das Scharfschützengewehr G29 für das Kommando Spezialkräfte in Calw.

Suhler Firma gehört einem arabischen Staatskonzern

Das neue Sturmgewehr kommt somit von einem Unternehmen, das im arabischen Besitz ist. Suhl ist zwar ein traditionsreicher Sitz der deutschen Hand- und Jagdwaffenindustrie. Heute gehört Haenel jedoch zur Merkel Gruppe, die Teil des Militärwaffenherstellers Caracal und damit auch des Staatskonzerns Tawazun aus den Vereinigten Arabischen Emiraten ist. Von der Unternehmensführung gab es am Dienstag auf Anfrage keine Reaktion.

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