Die Stadt Stuttgart hat mit einem Verbot von Stuttgart-21-Ansteckern die Rechte der Mitarbeiter verletzt, urteilt das Verwaltungsgericht.

Lokales: Christine Bilger (ceb)

Stuttgart - Uwe Theilen hat nicht verstanden, warum sich sein Chef, der Oberbürgermeister Wolfgang Schuster, so aufgeregt hat. „Es hat nie Streit unter den Mitarbeitern wegen der Anstecker gegeben. Man hat das akzeptiert, wenn jemand damit rumlief“, sagt der Vorsitzende des Gesamtpersonalrats der Stadt. Dennoch hatte der OB im vergangenen Jahr ein Rundschreiben an alle rund 17.000 Mitarbeiter – Angestellte wie Beamte schicken lassen, in dem ihnen untersagt wurde, die blechernen Meinungsbekundungen für und gegen das umstrittene Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 ebenso wie Aufkleber im Dienst an ihrer Kleidung oder auf ihren Taschen zu tragen.

 

Das hätten der OB und der damalige Bürgermeister Klaus-Peter Murawski (Grüne), der das Schreiben im September 2010 verfasst und verschickt hatte, nicht tun dürfen, ohne den Personalrat zu fragen. Dies stellte am Dienstag das Verwaltungsgericht Stuttgart fest. "Sie haben damit gegen das Mitbestimmungsrecht des Gesamtpersonalrats der Landeshauptstadt Stuttgart nach dem Landespersonalvertretungsgesetz verstoßen“, sagte der Vorsitzende Richter Johann Bader am Dienstag in seiner Urteilsbegründung.

Es gibt Fälle, in denen die Verwaltung auf gewisse Verhaltensrichtlinien hinweisen darf, ohne zuvor die Mitarbeitervertretung einzubinden. Dabei muss es sich aber um die reine Wiedergabe eines Gesetzes handeln, auf das die Verwaltung als Arbeitgeber quasi nur aus gegebenem Anlass hinweist. Uwe Bartl, der Rechtsanwalt des Gesamtpersonalrats, sah das nicht so. „Es geht hier um eine generelle Regelung, die weit über die gesetzlichen Bestimmungen hinausgeht“, sagte er. So sah es auch die 22. Kammer des Verwaltungsgerichts. Das Verbot stelle „eine eigenständige und damit mitbestimmungspflichtige Maßnahme dar und nicht lediglich einen Hinweis auf die Rechtslage.“

Mitarbeiter haben das Verbot nicht so ernst genommen

Kathrin Wessels vom Rechtsamt der Stadt Stuttgart versuchte es anders darzustellen. Für die Verwaltung sei es keine neue Verhaltensrichtlinie, weder für Beamte noch für Angestellte. „Beamte sind verpflichtet, unparteiisch, neutral und unbefangen zu sein“, argumentierte sie. Auch von den Angestellten erwarte der Arbeitgeber ein „Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung“.

Diese Argumentation ging dem Richter Johan Bader eindeutig zu weit. „Also mit dem Hinweis auf die freiheitlich demokratische Grundordnung hat man früher DKP-Lehrer aus dem Dienst entfernt“, sagte er. Derart weltanschaulich bedenklich sei nun der Streit über das Bahnprojekt Stuttgart 21 wirklich nicht. Einem hohen Gut, das die Verfassung schützt, räumte er hingegene einen hohen Stellenwert in der Erörterung vor der 22. Kammer des Verwaltungsgerichts ein: „Wir sprechen hier schließlich über das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung, und nicht über Paragraf 17 der Papageieneinfuhrbestimmung.“

Der Unfrieden in der Belegschaft, den es wegen der Pro- und Kontra-Buttons nicht gegeben hatte, sei übrigens durch das Rundschreiben mit dem Verbot erst hergestellt worden, erzählte der Personalratsvorsitzende. Kollegen hätten sich empört an das Gremium gewandt und verärgert nachgefragt, ob man die Einschränkung der Meinungsfreiheit zugelassen habe? Er habe immer wieder erklären müssen, dass der Personalrat übergangen worden sei.

So ganz ernst genommen haben die Mitarbeiter das Verbot ohne hin nicht, verriet eine Personalrätin, die die Verhandlung am Dienstag verfolgte. An ihrer Handtasche und an der Jacke trägt sie ein buntes Sammelsurium von Ansteckern, die sie als Gegnerin des Tiefbahnhofs und als Kritikerin des Polizeieinsatzes am 30. September 2010, dem „schwarzen Donnerstag“, ausweisen. „So komme ich zur Arbeit, und so geh ich nach dem Dienst zur Montagsdemo“, erzählte sie. Zu Auswärtsterminen trage sie die Meinungsbekundungen allerdings nicht. Dabei sei den Mitarbeitern vor dem Hintergrund des Button-Verbots auch bitter aufgestoßen, dass es eine prominente Ausnahme gegeben habe. Zu offiziellen Terminen sei einer immer wieder mit einem Pro-Stuttgart-21-Button erschienen: der Urheber des Verbots, OB Wolfgang Schuster.