Die Grabungen am Hauptbahnhof sind für Stuttgart von hoher Bedeutung – die Arbeiten der Bahn ruhen deshalb insgesamt mindestens fünf Wochen lang. Neben römischen Brennöfen wurden nun auch Überreste alamannischer Häuser entdeckt.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Am ersten Trogabschnitt des neuen Tiefbahnhofs, dem sogenannten Baufeld 16, kann derzeit nicht gearbeitet werden. Nachdem dort vor etwa zwei Wochen römische Brennöfen gefunden worden waren, in denen um das Jahr 100 nach Christus Ziegel hergestellt wurden, haben Grabungsleiter Martin Thoma und sein Team jetzt auch frühalamannische Spuren aus der Zeit um 300 nach Christus entdeckt. Die Bahn als Bauherrin und das Landesamt für Denkmalpflege haben sich vor einigen Tagen darauf geeinigt, die Arbeiten an diesem zentralen Teil des Projekts Stuttgart 21 ruhen zu lassen. Das wurde am Freitag bekannt.

 

Der Landesarchäologe Dirk Krausse sprach bei einer Besichtigung der Grabungen von nochmals mindestens drei Wochen, die benötigt würden. Das hänge auch vom Wetter ab. Projektsprecher Wolfgang Dietrich nannte einen Zeitraum von insgesamt zwei bis drei Wochen. Eine Verzögerung in diesem Rahmen sei aber kein großes Problem, betonte Dietrich am Freitag. Die anderen Arbeiten an S 21 gingen weiter.

Die Bahn hatte früher stets betont, dass der Zeitplan sehr eng und jede Verzögerung teuer sei. Bahn-Vorstand Volker Kefer hatte jedes weitere Jahr Bauzeit mit Mehrkosten von 100 Millionen Euro taxiert.

Im Planfeststellungsbeschluss wurde die Bahn verpflichtet, Bodenfunde zu melden und deren Erkundung zuzulassen. Landesarchäologe Krausse lobte die Zusammenarbeit mit dem Bauherrn: „Wir wurden rechtzeitig alarmiert; das Warnsystem hat funktioniert.“

Man arbeite mit modernsten Mitteln, wie Drohnenkameras und 3D-Scannern, um so wenig Zeit wie möglich zu benötigen, sagte Krausse. Doch die Befunde seien so interessant, dass eine Erforschung dringend geboten sei. „Die Stelle gehört zu den frühesten germanischen Siedlungsspuren aus dem Land“, erklärt Grabungsleiter Thoma – und definitiv ist es der erste Nachweis für Germanen im Stuttgarter Talkessel. Für die Stadtgeschichte ist der Fund also von hoher Bedeutung, auch wenn Krausse betont, dass man darin nicht die Keimzelle Stuttgarts sehen dürfe. „Die Besiedelung bricht später wieder ab, denn die oberen Schichten sind steril“, so Krausse.

Zwei alamanische Häuser aus der Zeit um 300 n.Chr.

Konkret haben die Archäologen Verfärbungen des Bodens entdeckt, die darauf hinweisen, dass dort früher Holzpfosten in die Erde gerammt waren. Von der Anordnung her schließen die Forscher auf zwei germanische Häuser für Menschen und Vieh; auch die Feuerstelle in einem Haus ist erkennbar. Ein Teil des Hauses reicht in das Baufeld 15 hinein, das die Bahn erst 2016 ausgraben will. Scherben, eine Gewandschließe und Münzen hätten eine Datierung auf 300 nach Christus recht einfach gemacht, so Dirk Krausse. Im Übrigen sei mit den Münzen eine alte Diskussion für Stuttgart entschieden: Ob die Alamannen noch Tauschhandel betrieben oder schon eine Geldwirtschaft besaßen, war ungeklärt. Jetzt nicht mehr.

Über die römischen Funde, über die die StZ schon berichtet hat, wissen die Archäologen mittlerweile mehr. Zwei mehrere Meter lange Brennöfen und ein Töpferofen aus der Zeit um 100 nach Christus deuten darauf hin, dass dort Ziegel und Keramikgegenstände in größerer Zahl für die Militärsiedlung in Bad Cannstatt hergestellt worden sind.

Der Beweis für einen Gutshof ist nun erbracht

Andreas Thiel, Spezialist für provinzialrömische Archäologie, hält für wahrscheinlich, dass sich ein Landwirt in der Stuttgarter Talaue angesiedelt hat, vielleicht mit einem großen Hof, den Thiel Richtung Königstraße vermutet. In der direkten Nähe des Nesenbachs war es zum Wohnen zu sumpfig, aber es gab guten Lehm – deshalb seien die Öfen dort aufgebaut worden. Die Grundmauern eines römischen Ökonomiegebäudes sind ebenfalls zu erkennen.

Auch dieser römische Befund ist für Stuttgart bedeutsam. Schon lange vermutete man einen Gutshof am Hauptbahnhof, aber bis auf einige recht ungenaue Hinweise konnte man diese Besiedelung bisher nicht belegen. Das ist nun anders geworden. Die Öfen will das Landesdenkmalamt auf jeden Fall bergen. Wie es mit dem anderen Fund im Schlossgartendem Kanal aus Schilfsandsteinplatten aus dem 17. Jahrhundert – weitergeht, ist offen. Dort finden derzeit keine Arbeiten der Bahn statt.