Mit großem Aufwand unterfährt die Bahn bis Herbst 2017 die denkmalgeschützte ehemalige Bahndirektion. Das Haus wird auf Pfähle gestellt, während die Baugrube ausgehoben und der Tunnel für Stuttgart 21 gebaut wird.

Stuttgart - Mitte des Jahres will die Firma Züblin mit einem spektakulären Bauschnitt von Stuttgart 21 beginnen: Das denkmalgeschützte Gebäude der ehemaligen Eisenbahndirektion gegenüber dem Nordausgang des Hauptbahnhofs an der Heilbronner Straße wird mit dem Tunnel unterfahren, der vom neuen Tiefbahnhof kommt, sich aufteilt und dann nach Zuffenhausen und nach Bad Cannstatt führt. Dazu wird das mehrstöckige Gebäude versteift, auf Pfählen und später einer Abfangeplatte gelagert, unter der dann die Baugrube für den Tunnel ausgehoben wird.

 

Dietrich: "Das Thema Abriss ist durch"

Im Endzustand, der im Herbst 2017 erreicht sein soll, sitzt die Platte dann auf der Tunneloberkante. „Die technischen Verfahren, die wir anwenden, sind erprobt, in dieser Größenordnung kenne ich aber kein vergleichbares Projekt“, sagte Ottmar Bögel von der Firma Züblin, der das Projekt am Freitag im Rahmen eines Pressegesprächs des S-21-Kommunikationsbüros vorstellte.

„Das Thema Abriss ist durch“, kommentierte der S-21-Sprecher Wolfgang Dietrich die Pläne. Wie berichtet, hat die Bahn den hinteren, zur Jägerstraße hin orientierten und als nicht schutzwürdig geltenden Teil der Bundesbahndirektion abgebrochen. Die Bahn hatte außerdem erwogen, auch den vorderen Teil abzureißen, um damit bis zu zwölf Millionen Euro zu sparen. Sie war damit wegen des Denkmalschutzes allerdings bei den Projektpartnern Stadt und Land auf Granit gestoßen. Diese Debatte war wiederbelebt worden, nachdem die Bahn den Abriss eines IHK-Gebäudes an der anderen Seite der Jägerstraße favorisiert hatte. Damit sollte Geld gespart werden, weil die Unterfahrung des Hauses zwar technisch machbar, aber finanziell aufwendig ist. Die Kammer hatte ein Kaufangebot, das 3,8 Millionen Euro betragen haben soll, abgelehnt. „Wir führen weitere Gespräche“, sagte Dietrich dazu.

Um das Bauverfahren festzulegen, prüfte die Firma Züblin zuvor die aktuelle Standfestigkeit des früheren Bahngebäudes, das nun einem privaten Immobilienunternehmen gehört. Dabei kam heraus, dass es mittlerweile den verschärften angenommenen Belastungen eines Erdbeben-Szenarios nicht genügt. Deshalb werden Wände und Decken des Gebäudes von Juni an verstärkt. Gleichzeitig wird das mit einem Balkon versehene Eingangsportal abgebaut. Es wird zwischengelagert und später wieder aufgebaut. Vom Herbst 2014 bis Frühjahr 2016 sollen dann aufwendige Arbeiten erfolgen mit dem Ziel, das gesamte Gebäude zuerst auf Pfähle und dann auf eine bis zu 1,50 Meter dicke Abfangeplatte zu setzen. Darunter wird dann in offener Bauweise der Tunnel gegraben und gefertigt. „In dieser Zeit schwebt das Bauwerk über der Baugrube“, sagte Bögel. Zum Abschluss der Arbeiten wird die Abfangeplatte, auf der das Gebäude dauerhaft steht, dann auf den Tunnel aufgesetzt. Während der Bauarbeiten ist das Gebäude im Übrigen auf Presssockel gelagert, um Setzungen auszugleichen.

Senkungswerte sind nach Bahnangaben nicht kritisch

Auch bei den anderen Tunnelbauten setze die Bahn auf verschiedene erprobte Verfahren, betonte gestern Walter Wittke vom Ingenieurbüro WBI, das die Bahn bei den S-21-Tunneln in Stuttgart und für den Albaufstieg berät. Diese Verfahren seien auch beim Bau der SSB-Stadtbahntunnel angewendet worden, sagte Wittke, was Dietrich zu der Aussage bewegte: „Es gibt gute Tunnel. Wir sind halt die bösen Tunnel. Aber darüber beklage ich mich nicht.“

Schlagzeilen hatten Senkungen am Gebäude der Landeswasserversorgung (LV) in der Schützenstraße im Kernerviertel gemacht. Unter dem Gebäude wird der Stollen einer Rettungszufahrt für den neuen Fildertunnel gegraben. Wittke bestätigte, dass es an Gebäuden Senkungen zwischen vier und zwölf Millimetern gegeben habe. Diese Werte lägen innerhalb der zulässigen und prognostizierten Entwicklung und seien weit entfernt davon, dass Schäden befürchtet werden müssten. Der LV-Pressesprecher Bernd Röhrle sagte, dass sich die Setzungswerte konsolidiert hätten. Man habe indes Werte, die geringfügig höher (bis zu 15,4 Millimeter) als die von der Bahn ermittelten lägen. Das liege aber an einem anderen Messverfahren. „Wir liegen unterhalb der kritischen Werte“, bestätigte Röhrle. Neben einem bestehenden Riss seien keine weiteren aufgetreten. Die Zusammenarbeit mit der Bahn habe sich nach anfänglichen Problemen verbessert. „Wir erhalten nun zeitnah Informationen.“