In einem Schreiben an das Regierungspräsidium fordern der BUND und die Schutzgemeinschaft Filder, dass die Erörterung für Stuttgart 21 auf den Fildern fortgesetzt wird. Sonst drohe ein Verfahrensfehler. Die Behörde widerspricht.
Stuttgart - Als Gertrud Bühler am frühen Abend des 7. Oktober die Erörterung über den S-21-Filderabschnitt für beendet erklärt hatte, war der Versammlungsleiterin aus dem Regierungspräsidium Stuttgart und ihrem „Co“ Michael Trippen zweierlei anzumerken: die Anstrengungen, die die elf Erörterungstage mit sich brachten, und die Erleichterung, dass alles vorbei ist. Auch Steffen Siegel, der Sprecher der Schutzgemeinschaft Filder, spricht heute davon, wie viel Kraft die Erörterung gekostet habe. Er ist aber noch immer „schockiert, mit welcher Härte sie zu Ende gebracht wurde“. Es seien nicht alle Themen angesprochen gewesen, kritisiert er.
„Das ist ein klarer Verfahrensfehler“, sagt Eisenhart von Loeper, der Sprecher des Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21, der namens des BUND-Regionalverbands Stuttgart und der Schutzgemeinschaft an das Regierungspräsidium geschrieben hat. Der Brief liegt der StZ vor. Darin verlangt er, dass die Erörterung fortgesetzt wird. So habe das Regierungspräsidium selbst zwei Folgetage für die Erörterung reserviert, dennoch „haben Sie trotz des unübersehbar hohen Klärungsbedarfs keinen Gebrauch von Ihrer eingeplanten Reserve gemacht“, schreibt von Loeper an Bühler und Trippen. Das Regierungspräsidium weist dies zurück. Das Schreiben sei eingegangen, bestätigt ein Sprecher: „Wir sehen aber keine Verfahrensmängel.“ Deshalb sei an eine Fortsetzung zurzeit nicht gedacht.
Vorbereitete Presseerklärung?
Nach Ansicht der S-21-Kritiker sind wesentliche Punkte zur Leistungsfähigkeit des neuen Tiefbahnhofs, zur Aussagekraft des Stresstests und zur Finanzierung nicht ausreichend angesprochen worden. Zudem werfen sie dem Regierungspräsidium vor, dass die Entscheidung, die Erörterung zu beenden, schon vorab gefällt worden sei – wie eine schon kurz nach 18 Uhr veröffentlichte Pressemitteilung beweise. Von Loeper spricht deshalb von einer „Vorfestlegung ohne Ansehen der Sachlage.“
Allerdings sieht der Rechtsanwalt ein weiteres juristisches Einfallstor – und die Möglichkeit dafür liefert seiner Meinung nach ausgerechnet der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg. Das oberste Verwaltungsgericht des Landes hatte Einwendungen gegen den Abriss eines Gebäudes in der Sängerstraße zurückgewiesen, weil – vereinfacht gesagt – bisherige Entscheidungen pro Stuttgart 21 nur widerrufen werden dürften, wenn „anerkannt höchste Werte des Grundgesetzes, also Leben und Gesundheit der Menschen gefährdet“ würden. Darin sieht von Loeper „eine Steilvorlage für zwingende Konsequenzen auf den Fildern“, wie er am Abend auf der 244. Montagsdemo auf dem Marktplatz sagte: „Hier ist die offene Flanke von Stuttgart 21.“
Von Loeper bezieht sich auf VGH-Urteile
Von Loeper ist nämlich überzeugt davon, dass bei der Bewertung der S-21-Pläne für den Filderabschnitt das Gesamtprojekt einbezogen werden müsse, auch wenn dafür schon gültige Genehmigungen vorliegen. Vor dem Hintergrund der VGH-Begründung sieht er höchste Rechtswerte für Leben und Gesundheit als gefährdet an, weil beispielsweise die starke Gleisneigung und der umstrittene Brandschutz im Tiefbahnhof Unfälle begünstigten – und damit Menschen gefährdeten. Er bezieht sich dabei auf ein Gutachten des ehemaligen Bahnmitarbeiters Sven Andersen (die StZ berichtete). Deshalb dürfe auch die Fildertrasse nicht genehmigt werden.
Da das Regierungspräsidium momentan nicht an eine Fortsetzung der Erörterung denkt, wird es darüber, sollten die Bahnpläne genehmigt werden, wohl einen juristischen Streit geben. Gleichwohl hatte Trippen während der Erörterung ja angekündigt, dass die geänderten Pläne zum Lärmschutz und das neue Gutachten zum S-Bahnverkehr eine neue Erörterungsrunde möglich machen könnten.