Obwohl die Kosten für Stuttgart 21 auf bis zu 6,8 Milliarden Euro gestiegen sind, will der Bahn-Aufsichtsrat den Bau offenbar nicht stoppen. Laut der Nachrichtenagentur Reuters sprach ein Mitglied des Gremiums von einem wahrscheinlichen Votum für den Weiterbau bei der Sitzung im März.

Stuttgart - Trotz der Kostenexplosion auf bis zu 6,8 Milliarden Euro soll das Bahnprojekt Stuttgart 21 nach Angaben aus Regierungs- und Bahn-Aufsichtsratskreisen offenbar nicht gestoppt werden. Laut Medienberichten könnte der Bund einen Teil der Mehrkosten tragen. Zunächst gilt aber eine andere offizielle Sprachregelung: „Der Aufsichtsrat wird der Bahn für den Weiterbau bei der geplanten Sondersitzung im März grünes Licht geben“, zitierte die Nachrichtenagentur Reuters am Donnerstag ein Mitglied des Gremiums. Dies habe ein weiterer Bahn-Kontrolleur bestätigt. Ein Regierungsvertreter sagte, die Gesandten des Bunds im Aufsichtsrat hätten sich auf diese Linie verständigt.

 

Widerspruch zu früheren Angaben

Allerdings werde die Bahn aufgefordert, Sparmöglichkeiten zu nutzen. So sollen die Mehrkosten aus dem Schlichtungsverfahren zu S 21 und die veränderte Bahnanbindung des Flughafens, durch die laut Bahn alleine 224 Millionen Euro Zusatzkosten auflaufen, nicht allein von dem Staatskonzern getragen werden. Sie seien nicht Bestandteil der Verträge. Dadurch könnten mindestens 300 Millionen Euro Kosten vermieden werden.

Offenbar haben sich die Mandatsträger der Anteilseignerseite im Aufsichtsrat auf diese Position verständigt. Die zweite Hälfte des 20-köpfigen Gremiums, die Arbeitnehmervertreter, hat immer noch eine andere Sicht der Dinge. Es sei nicht der Job des Aufsichtsrats, das Projekt S 21 zu bewerten oder gar Verbesserungsvorschläge zu machen, so der stellvertretende Vorsitzende Alexander Kirchner. Seiner Ansicht nach geht es nach wie vor darum, über den Antrag des Bahn-Vorstands, dass die Bahn Mehrkosten von 1,1 Milliarden Euro selber tragen soll, zu entscheiden. Um diese Entscheidung zu treffen, so Kirchner, müsse auch bewertet werden, was solch eine Zusatzbelastung in Milliardenhöhe für die Wirtschaftlichkeit des Projekts bedeute. Zudem müssten sich auch die Projektpartner Stadt und Land erklären, welche Alternativen es gebe und wer dafür wie viel Geld ausgeben würde. Dass sich am Antrag des Bahn-Vorstands etwas geändert haben soll, ist den Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat nicht bekannt.

Die aktuellen Aussagen der Eigentümervertreter im Aufsichtsrat stehen im Widerspruch zu den jüngsten Angaben der Bahn, wonach der Konzernvorstand seine ursprüngliche Absicht, 1,1 Milliarden der bis zu 2,3 Milliarden Euro Mehrkosten selbst zu übernehmen, wieder zurückgezogen hat. Die Bahn hatte zuvor eingeräumt, die erste Tranche der Kostensteigerung sei unter anderem durch Planungsfehler verursacht worden . Bei seinen Gesprächen in Stuttgart mit den Projektpartnern über deren Beteiligung an den Mehrkosten hatte Bahn-Technikvorstand Volker Kefer betont, dass sich die Anwendung der sogenannten Sprechklausel auf die gesamten Mehrkosten beziehe.

In der kommenden Woche will der Bahn-Vorstand offenbar eine neue Beschlussvorlage für die entscheidende Aufsichtsratssitzung am 5. März formulieren. Möglicherweise wird darin nicht mehr vorgeschlagen, dass die Bahn als Bauherrin von S 21 einen festen Anteil der Mehrkosten selbst übernimmt, sondern dass sie bei jedem einzelnen Gewerk, das teuerer wird, im Einzelfall entscheiden wird, ob sie mit den Projektpartnern über eine Aufteilung der anfallenden Mehrkosten verhandelt oder nicht. Land und Stadt haben wiederholt weitere Zuschüsse für das Projekt abgelehnt. Die Bahn geht davon aus, dass das Projekt für den Konzern bei Übernahme von 1,1 Milliarden Euro Mehrkosten noch wirtschaftlich ist. Sollten die Zusatzkosten, die das Unternehmen zu tragen hätte, 1,78 Milliarden Euro übersteigen, wäre die Kaptalrendite negativ. Gegner des geplanten Tiefbahnhofs hatten dem Aufsichtsrat für diesen Fall mit Klagen gedroht.

Derweil will der Vorsitzende des Bahn-Aufsichtsrats, Utz-Hellmuth Felcht, nun doch in den Verkehrsausschuss des Bundestags kommen, nachdem er dies zuvor abgelehnt und gleichzeitig den Obleuten der Fraktionen einen Meinungsaustausch in der Bahn-Zentrale angeboten hatte. Nun hat er laut Konzern aber eine Einladung zur Sitzung des Ausschusses am 27. Februar angenommen. Zudem wollen an diesem Tag auch der Bahn-Chef Rüdiger Grube und Kefer die Fragen der Abgeordneten zur jüngsten Kostenexplosion beantworten.