Nicht vor 2025 werden Züge die wohl 8,2 Milliarden Euro teure Infrastruktur von Stuttgart 21 nutzen können. Baustellen und Gezerfe bleiben der Stadt also weiterhin erhalten. Die Deutsche Bahn erkauft sich teure Zeit, kommentiert StZ-Autor Christian Milankovic.

Stadtentwicklung/Infrastruktur : Christian Milankovic (mil)

Stuttgart - Wenn man der aktuell für Stuttgart 21 gehandelten Zahl von 8,2 Milliarden Euro etwas Positives abgewinnen möchte, dann doch dies: Die Bahn hat offensichtlich dazugelernt und operiert nun mit belastbaren Annahmen hinsichtlich der Kosten und der Termine des Projekts. Die Steigerung um 600 Millionen Euro im Vergleich zu den im Dezember durchgesickerten Zahlen, ist ein sicheres Indiz dafür. 100 Millionen Euro gehen allein dafür drauf, den Inbetriebnahmezeitpunkt um ein weiteres Jahr auf 2025 zu verschieben und damit Zeit zu gewinnen. Die restlichen 500 Millionen sind dem Umstand geschuldet, dass die Bahn wieder zum bisherigen Umfang des Risikopuffers in Höhe von einer halben Milliarde zurückkehrt – angesichts der Projekthistorie sicherlich kein allzu pessimistischer Schritt.

 

Die Baustellenbelastung dauert an

Das war es dann aber auch schon mit den guten Nachrichten. Die Menschen in Stuttgart werden von heute an gerechnet also noch fast sieben Jahre die Unannehmlichkeiten einer Großbaustelle im Herzen der Stadt erdulden müssen, die zermürbenden Konflikte zwischen den Gegnern und den zunehmend nicht mehr Farbe bekennenden Befürwortern setzen sich damit ebenso fort wie die Suche nach einer Antwort auf die Frage, warum es eigentlich in Deutschland offenkundig nicht mehr möglich ist, ein zugegebenermaßen komplexes Vorhaben innerhalb von Kosten- und Zeitrahmen zu verwirklichen.

Für die Stadt ist die Nachricht vom Zeitverzug im Hinblick auf die angestrebte Internationale Bauausstellung 2027 eine Hiobsbotschaft. Das nach anfänglichem Zögern im Rathaus doch mit Nachdruck verfolgte Projekt ist auf den heutigen Gleisflächen kaum zu realisieren. Sollten die 2025 tatsächlich außer Betrieb genommen werden, steht dort zwei Jahre später auf keinen Fall etwas Ausstellungswürdiges.

Dass die Bahn dem Vernehmen nach vor allem auch das Bauen in schwierigen geologischen Formationen als Kostentreiber identifiziert hat, dürfte Balsam auf die Seelen jener Kritiker sein, die stets genau davor gewarnt haben, aber von Bahn-Seite eher als ambitionierte Amateure gesehen worden sind. Wenn sich deren Prognosen hinsichtlich der Kostenentwicklung allerdings gleichfalls bewahrheiten sollten, droht der Tragödie am Bahnhof ein weiterer Akt unter der Überschrift: Nächste Kostenexplosion. Die Projektkritiker sagen voraus, dass die Endabrechnung bei zehn Milliarden Euro liegen wird.

Ein Trauerspiel

Mit einem weiteren kräftigen Schluck aus der Pulle verschafft sich die Bahn zum einen finanziellen Spielraum und zum anderen die zeitliche Beinfreiheit, den Bau zu realisieren. Gleichwohl erkauft sich die Bahn diese Verschnaufpause mit viel Geld. Geld, von dem nach wie vor ungeklärt ist, wer es aufbringt. Die Projektpartner rüsten sich mit enormem Aufwand für die gerichtliche Klärung der Mehrkostenverteilung, was die Frage aufwirft, ob die Vokabel „Partner“ eigentlich noch von Bedeutung ist. Nicht zuletzt deshalb bleibt die bittere Erkenntnis: Die Entwicklung von Stuttgart 21 ist ein Trauerspiel.