Die Bahn möchte vor Gericht erreichen, dass sich die Projektpartner bei Stuttgart 21 an den Mehrkosten beteiligen. Um eine Verjährung zu vermeiden, wird das Unternehmen noch dieses Jahr klagen.

Stadtentwicklung/Infrastruktur : Christian Milankovic (mil)

Stuttgart - Die Bahn wird die Projektpartner bei Stuttgart 21 – das Land, die Stadt, die Region und den Flughafen – noch in diesem Jahr auf eine Beteiligung an den erwarteten Mehrkosten für den milliardenschweren Umbau des Stuttgarter Bahnknotens verklagen. Der Vorstand der Deutschen Bahn wolle am kommenden Dienstag einen entsprechenden Beschluss fassen, war zu hören.

 

Der Staatskonzern beschreitet den juristischen Weg, da er eine Verjährung seiner Ansprüche befürchtet. Im März 2013 hatte der Aufsichtsrat der Bahn eine Kostensteigerung von 4,5 auf 6,5 Milliarden Euro genehmigt – verbunden mit der Aufforderung an den Vorstand des Unternehmens, bei den Projektpartnern Teile der Mehrkosten wieder einzuwerben. Stadt, Land und Region stehen aber auf dem Standpunkt, kein weiteres Geld bezahlen zu wollen. Oberbürgermeister Fritz Kuhn wie auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann (beide Grüne) erklärten wiederholt: „Der Kostendeckel gilt“.

Bahn wollte bei den Partner eine Firstverlängerung erwirken

Die Bahn hatte zuletzt bei den Projektpartnern angefragt, ob diese sich auf eine Regelung verständigen könnten, die ein Verjähren der eventuellen Ansprüche verhindert. Die Stadtverwaltung empfiehlt allerdings dem Gemeinderat, einer solchen sogenannten „Verjährungshemmungsvereinbarung“ nicht zuzustimmen. Im Rathaus bleibt man bei seiner Linie, wonach es keine weiteren Ansprüche seitens der Bahn an die Stadt gebe, diese daher auch nicht verjähren könnten. Der Verwaltungsausschuss und der Gemeinderat sollen darüber Anfang Dezember abstimmen. Bereits am Donnerstag beriet der Ältestenrat das Thema. Teilnehmer berichten, es habe Zustimmung quer durch alle Fraktionen für die Sichtweise von OB Kuhn gegeben.

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Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne), der zuletzt noch die Bahn vor einer Klage gewarnt hatte, zeigt sich nun konziliant. „Gerichte sind dafür da, solche Rechtsfragen zu klären. Wir sind mit der Bahn einig, dass die Klage die Zusammenarbeit mit der DB bei Bahnprojekten generell und bei Stuttgart 21 nicht stören darf. Wir sind uns sicher, dass das auch gelingt“, erklärte Hermann am Donnerstag.

Unterschiedliche Auslegung der Sprechklausel

Die Frage, wie mit Mehrkosten bei Stuttgart 21 umzugehen ist, regelt der 2009 geschlossene Finanzierungsvertrag. Darin heißt es: „Im Falle weiterer Kostensteigerungen nehmen die Eisenbahninfrastrukturunternehmen und das Land Gespräche auf“. Im Sinne dieser sogenannten „Sprechklausel“ trafen sich die Beteiligten seit 2014 zu Sondierungsgesprächen – ohne eine Einigung zu erzielen.

Der Streit um die Finanzierung von Stuttgart 21 geht damit genau fünf Jahre nach der Volksabstimmung zu dem umstrittenen Projekt in eine neue Runde. Im November 2011 hatte die Bevölkerung in Stadt und Land den Finanzierungsanteil des Landes mit knapper Mehrheit gebilligt.