In Wangen, im Kernerviertel und im Stuttgarter Norden wachsen die Probleme mit dem Schutz vor dem Lärm, der von den S-21-Baustellen ausgeht.

Stuttgart - Früher haben die S-21-Befürworter gerne erklärt, dass die Bauarbeiten kaum Auswirkungen auf die Bevölkerung hätten, weil ja unter der Erde gegraben werde. Nachdem der Bauherr Bahn mittlerweile gleich an drei Stellen im Stadtgebiet – im Kernerviertel, am Wartberg und in Wangen – massive Probleme mit dem Lärmschutz hat, ändert sich der Sprachgebrauch. „Es ist keine Überraschung, dass Anwohner beeinträchtigt werden“, sagte CDU-Fraktionschef Alexander Kotz am Dienstag im Technikausschuss des Gemeinderats und dankte den Anwohnern, die „diesen Preis für ein Infrastrukturprojekt zahlen“ müssten. Und sein Amtskollege von den Freien Wählern, Jürgen Zeeb, ergänzte aus seiner beruflichen Erfahrung als Architekt: „Baustellen sind immer lästig für die, die nebendran wohnen.“

 

Anlass war ein Bericht der Bahn über ihre Lärmschutzmaßnahmen in den Stadtbezirken. Dabei sagte Florian Bitzer von der S-21-Projekt-GmbH, dass die Bahn auf die Anwohner zugehen und, wenn möglich, Erleichterungen umsetzen wolle. Allerdings müsse die Bahn auch ohne zeitliche Verzögerungen und wirtschaftlich bauen, betonten Bitzer und der seit 17 Jahren für das Projekt tätige Anwalt Peter Schütz.

Dieses selbst gesteckte Ziel wird offenbar nicht überall erreicht. Im Stuttgarter Norden werde der Tunnel „mit angezogener Handbremse“ gegraben, sagte Bitzer, weil der Lärmschutz noch nicht fertig sei. Aufgrund neuer Gutachten muss die Bahn an 350 Gebäuden im Bereich Wartberg/Dornbusch Lärmschutzfenster einbauen lassen. Zugleich muss die Verladestation vor dem Tunnel eingehaust werden. Dieses 15 Meter hohe Gebäude werde gerade geplant, sagte Bitzer, „das ist außerordentlich komplex“. Gegen Ende des ersten Quartals 2016 sei dies alles fertig. Erst dann könne das ausgebrochene Material wie geplant über ein Förderband und die Bahnverladung abtransportiert werden.

Mehr Gebäude erhalten Schallschutzfenster

Auch im Kernerviertel muss die Bahn aufgrund der Lärmwerte, die höher sind als in den Gutachten vorhergesagt, mehr machen als ursprünglich vorgesehen. Wie berichtet werden bis Ende des Jahres eine zehn Meter hohe Lärmschutzwand an der Sängerstraße gebaut und das Baustellenvorfeld am Wagenburgtunnel samt Beladestation des Förderbands eingehaust. Zwei Millionen Euro gibt die Bahn dafür aus. Das Förderband soll im ersten Quartal 2016 in Betrieb gehen, wenn größere Mengen Ausbruch zu erwarten seien, so Bitzer: „Momentan machen wir Vortrieb mit dem Teelöffel“. Die Lärmschutzwand werde wohl die nächsten drei bis vier Jahre stehen.

Nochmals sieben Millionen Euro kosten Lärmschutzfenster und weitere passive Schutzmaßnahmen an den Gebäuden. Mit einbezogen sind nun auch einige Häuser am gegenüber liegenden Kriegsberg. Bitzer begründete diese Ausweitungen unter anderem damit, dass sich die Bauabläufe geändert hätten. „Im Kernerviertel wirken sich die Maßnahmen deutlich pegelmindernd aus“, sagte er. Ein aktualisiertes Lärmgutachten gibt die Werte in weiten Gebieten unterhalb von 60 Dezibel an.

In Wangen wartet die Bahn nach wie vor auf eine Ausnahmegenehmigung der Landesbergdirektion für Sprengungen auch während der Nacht in den beiden Tunnelröhren. Dann könnte sie die lärmintensiven Meißelarbeiten, die die Anwohner in der Nähterstraße und Im Degen massiv stören, beenden. Bisher sind Sprengungen in der Zeit von 6 bis 22 Uhr erlaubt. Die Bahn glaubt, dass die rund fünf Sekunden dauernden Sprengungen – es wird mit einer bis zwei in jeder der beiden Röhren gerechnet – für die Anwohner weniger störend sind als die dauernden Meißelgeräusche. Bis eine Genehmigung für die Sprengungen vorliegt, bietet die Bahn Betroffenen an, die Nacht in Hotels zu verbringen.

Ein Verzicht auf die Vortriebsarbeiten in den Nachtstunden, wie er von der Grünen-Stadträtin Gabriele Munk vorgeschlagen wurde, lehnt die Bahn ab. „Lärmbelastungen müssen bis zu einem gewissen Grad ertragen werden“, sagte Bitzer, zumal sie „relativ kleinräumig“ auftreten würden. Das gelte auch für die durch die Sprengungen ausgelösten Erschütterungen, die laut der SPD-Stadträtin Marita Gröger so stark sind, dass „man glaubt, das Haus bewegt sich.“ Sie bezweifelt deshalb, dass dies nachts erträglicher wäre.