Offenbar muss für den Bau des neuen Tiefbahnhofs noch mehr Wasser abgepumpt werden als angenommen. Das kostet Zeit und Geld.

Stuttgart - Die Deutsche Bahn will den Abriss des Südflügels am Hauptbahnhof binnen weniger Wochen abgeschlossen haben. Die Eile verwundert angesichts der noch ausstehenden Genehmigung des Eisenbahn-Bundesamts (Eba) für das Fällen der Bäume im Schlossgarten und damit für das Ausheben der Baugrube für den Tiefbahnhof. Doch nach StZ-Informationen hat der Konzern allen Grund, trotzdem aufs Tempo zu drücken. Eine weitere Erhöhung der Grundwasserentnahme macht offenbar den Bau einer zusätzlichen Steuerungsanlage notwendig, die auf dem Südflügelareal errichtet werden soll. Im Mai vergangenen Jahres hatte die Bahn auf der Grundlage entsprechender Probebohrungen verkündet, dass sich die Menge des abzupumpenden Grundwassers von 3,2 Milliarden auf maximal 6,8 Milliarden Liter mehr als verdoppeln könnte. Zugleich hatte der Konzern beim Eba einen Änderungsantrag für die wasserrechtliche Genehmigung innerhalb des Planfeststellungsbeschlusses gestellt.

 

Dieser Antrag muss nun allerdings nochmals grundlegend überarbeitet werden, wie Bahn und Eba gegenüber der Stuttgarter Zeitung am Freitag einräumten. Die Bahn werde den geänderten Antrag einreichen, sobald alle notwendigen Abstimmungen mit dem Eba und den Fachbehörden getroffen seien, hieß es aus dem S-21-Kommunikationsbüro. Das Eba teilte mit, die Bahn habe Mitte Dezember 2011 „eine umfassende Überarbeitung der Antragsunterlagen angekündigt“. Die Gründe dafür seien bei der Antragstellerin zu erfragen. Die Bahn wiederum bittet „um Nachsicht, dass wir uns zum Inhalt der Gespräche und zu möglichen Ergebnissen vor deren Abschluss nicht äußern werden“.

Rascher Abriss des Südflügels fürs Grundwassermanagement?

Geäußert hat sich den Recherchen der Stuttgarter Zeitung zufolge aber bereits der S-21-Projektleiter Stefan Penn. Bei einem Treffen mit Bahnjuristen, Artenschutzfachleuten und Vertretern des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) vor wenigen Tagen soll Penn Teilnehmern zufolge den raschen Abriss des Südflügels auch damit begründet haben, dass man auf dem Areal eine zusätzliche Grundwassermanagementanlage bauen wolle. Diese soll demnach die Infiltration des gereinigten Grundwassers über sogenannte Schluckbrunnen in den Boden steuern, während die bestehende Anlage im Schlossgarten das Abpumpen überwachen soll.

Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) geht davon aus, dass der Grund für den neuerlichen Änderungsantrag in einer nochmals erhöhten Entnahmemenge des Grundwassers liegt. Man kenne den Antrag der Bahn aber derzeit noch nicht, ließ sein Ministerium verlauten. Die Stadt Stuttgart, neben Bahn und Land als Projektpartner mit im Boot und als untere Wasserschutzbehörde mit der Prüfung der Genehmigung befasst, ließ über den OB-Sprecher Markus Vogt mitteilen, die Bahn habe gegenüber dem Amt für Umweltschutz am 16. Dezember lediglich einen „neuen, überarbeiteten Antrag“ an das Eba angekündigt.Die BUND-Landesvorsitzende Brigitte Dahlbender erklärte, eine erneute Erhöhung der Grundwassermenge zeige, „wie wenig die Bahn die Baumaßnahme überschaut“. Sie gehe davon aus, dass es nun nicht mehr allein mit einer Änderung der wasserrechtlichen Genehmigung getan sei, sondern ein Änderungsverfahren, wenn nicht gar ein neues Planfeststellungsverfahren nötig werde. Für eine Planänderung rechnet Dahlbender mit einer Verfahrenszeit von ein bis zwei Jahren.

Zweimonatiger Probebetrieb

Bevor das Eisenbahn-Bundesamt den Bau der zweiten Anlage und die erhöhte Entnahmemenge nicht genehmigt hat, dürfen jedenfalls im Schlossgarten keine Tiefbauarbeiten durchgeführt werden. Zudem müssen die fertigen Anlagen einen bis zu zweimonatigen Probebetrieb absolvieren. Ein Planänderungsverfahren für den Bauabschnitt 1.1 würde dagegen den Zeitplan der Bahn über den Haufen werfen; demnach sollen im Sommer die Bagger die Baugrube im Schlossgarten ausheben.

Klar ist, dass weitere Verzögerungen der Baumaßnahmen den Kostenrahmen des Projekts von 4,5 Milliarden Euro strapazieren würden. Für die Verdoppelung der Grundwassermenge kalkulierten Bahngutachter bisher schon beim Betrieb mit Mehrkosten von 80 Millionen Euro , und der Bau einer zweiten Anlage dürfte ebenfalls nicht zum Nulltarif zu haben sein.