Gibt es eine Probe aus dem S-21-Grundwassermanagement, die erhöhte Werte aufweist? Auf diese Frage gibt es von der Bahn und dem Eisenbahn-Bundesamt unterschiedliche Antworten. Doch wer sagt die Wahrheit?

Stuttgart - Das S-21-Kommunikationsbüro und das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) machen in einer zentralen Frage des Grundwassermanagements für das milliardenschwere Großprojekt Stuttgart 21 unterschiedliche Angaben. Das EBA erklärt, es habe in einer Probe aus den in der Innenstadt verlaufenden blauen Rohren eine Konzentration abfiltrierbarer Stoffe gegeben, die mit 22 mg/l über dem im Planfeststellungsbeschluss genannten Grenzwert von 20 mg/l liegt. Das S-21-Kommunikationsbüro behauptet, dass es keine Grenzwertüberschreitungen gegeben habe. Sowohl das EBA als auch das Kommunikationsbüro bekräftigten gegenüber der Stuttgarter Zeitung ihre Position, auch nachdem sie auf die sich widersprechenden Aussagen aufmerksam gemacht worden waren. Insgesamt freilich bleiben die Bahn und das Eisenbahn-Bundesamt bei der Einschätzung, dass von den Einleitungen keine Gefahr für das Grund- und Mineralwasser ausgehe. Das wiederum bestreiten die S-21-kritischen Ingenieure 22, die eine Strafanzeige wegen des Verdachts einer Umweltstraftat bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart eingereicht haben.

 

Die Kontrahenten

Das S-21-Kommunikationsbüro spricht für den Bauherrn, die Bahntochter DB-Projektgesellschaft Stuttgart-Ulm, und ist von einem Verein getragen. Ihm gehören auch die Projektpartner Land (ruhende Mitgliedschaft), Stadt Stuttgart, Verband Region Stuttgart und weitere „öffentliche“ Mitglieder wie die Stadt Ulm und der Flughafen an. Das Eisenbahn-Bundesamt spricht die baurechtlichen Genehmigungen für die einzelnen Bauabschnitte aus und macht Vorgaben in Planfeststellungsbeschlüssen, die die Aufsichtsbehörde gegenüber dem Bauherrn kontrollieren und durchsetzen muss.

Die Anordnung

In dieser Funktion als Aufsichtsbehörde hatte das EBA am 7. August gegenüber der Bahn „sicherheitshalber“ eine Anordnung erlassen. Darin wird eine intensivere Überwachung angewiesen, die über die bereits in der Genehmigung festgesetzte hinausgeht. Diese Anordnung betrifft das Grundwassermanagement, also das System, in dem das aus Baugruben für das Bahnhofsprojekt abgepumpte Wasser in den blauen Rohren in eine Behandlungsanlage und dann in Infiltrationsbrunnen geleitet wird, von wo aus es in den Untergrund oder in den Neckar gepumpt wird.

Die Gründe

Die intensivere Überwachung wurde vom EBA mit zwei Vorgängen begründet. Zum einen trat aus einer Infiltrationswasserleitung, die von einem Lastwagen Ende Juni in der Jägerstraße beschädigt worden war, rostbraun gefärbtes Wasser aus. Zum zweiten gab es eine Wasserprobe, die Anhaltspunkte dafür geliefert habe, „dass der Einleitungsgrenzwert für abfiltrierbare Stoffe möglicherweise nicht durchgehend eingehalten worden sein könnte“. Weitere Angaben zu der Probe machte das EBA zunächst nicht. Es verwies dafür auf die Bahn. „Die Proben werden im Auftrag der Vorhabenträgerin von unabhängigen Labors entnommen und dort auch untersucht“, betonte eine Sprecherin des Eisenbahn-Bundesamts. Eine Veröffentlichung der Analyseergebnisse müsse seitens der Bahn möglich sein.

Die Reaktion der Bahn

Das S-21-Kommunikationsbüro reagierte gegenüber verschiedenen Medien auf die Anordnung mit der Erklärung, dass es bei den bisher gezogenen Proben im Grundwassermanagement „keine Auffälligkeiten“ gegeben habe. „Auch nach dem Schreiben des AFU (Amt für Umweltschutz der Stadt Stuttgart, die Red.) vom Juli 2014 belegen die Untersuchungen somit die Einhaltung der Einleitgrenzwerte gemäß Planfeststellungsbeschluss unter Bezug auf prüfbare, objektive und stichhaltige Fakten“, sagte ein Sprecher des Kommunikationsbüros. Darüber hinaus erklärte das Kommunikationsbüro, dass einen Tag nach der Beschädigung der Leitungen durch den Lastwagen die betroffene Infiltrationswasserleitung wieder in Betrieb genommen worden sei. Die analytischen Untersuchungen und Nachweise zeigten keine Auffälligkeiten, weder Grenzwertüberschreitungen für abfiltrierbare Stoffe noch erhöhte Eisengehalte. „Auch zeigen die auf Wunsch des EBA danach durchgeführten Beprobungen und Untersuchungen auf abfiltrierbare Stoffe keine Grenzwertverletzungen“, so das Kommunikationsbüro. Auf eine StZ-Nachfrage, ob diese Einschätzung für alle Proben gelte, verwies ein Sprecher des Kommunikationsbüros auf die bisherigen Ausführungen, denen „man nichts mehr hinzuzufügen“ habe. Einen Widerspruch zu den Aussagen des EBA könne er nicht erkennen.

Die Reaktion des EBA

Mit den neuerlichen Aussagen des Kommunikationsbüro konfrontiert, nannte die Behörde gegenüber der StZ erstmals konkrete Werte. „Eine im Mai entnommene Probe hat eine Konzentration für abfiltrierbare Stoffe von 22 mg/l aufgewiesen“ – laut Planfeststellungsbeschluss liegt der noch zu tolerierende Grenzwert bei 20 mg/l. Später entnommene Proben hätten keine Grenzwertverletzungen aufgewiesen, sagte die Sprecherin. Auch die seit Mitte August vorgenommenen Messungen im Rahmen des bis 18. Oktober dauernden Monitorings hätten bisher keine erhöhten Werte ergeben. Mit dem intensiveren Überwachungsverfahren will das EBA eine „breitere Datenbasis als bisher und über einen längeren Zeitraum belastbare Aussagen zum Eintrag von Stoffen in das Grundwasser erhalten“. Das Eisenbahn-Bundesamt wiederholte seine Einschätzung, dass es keine Anhaltspunkte dafür gebe, dass bei unverändertem Grundwassermanagement die Wasserqualität leiden könnte. Zudem seien Eisen und Eisenoxid keine wassergefährdeten Stoffe.