Je näher die Sitzung des Aufsichtsrats der Bahn rückt, desto höher werden die erwarteten Kosten für Stuttgart 21, über die in der Öffentlichkeit spekuliert wird. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Claus Schmiedel warnt derweil vor hohen Ausstiegskosten, die die Bahn „für nichts“ bezahlen müsste.

Stuttgart - Dreimal ist die Inbetriebnahme bereits verschoben worden, die Projektkosten sind um mehr als eine Milliarde Euro angestiegen – weshalb der Aufsichtsrat nun unangenehme Fragen stellt und den Kosten- und Zeitplan nochmals genau unter die Lupe nimmt. Nicht Stuttgart 21 mit seinem Tiefbahnhof ist dabei allerdings Gegenstand der Betrachtung, sondern der Berliner Hauptstadtflughafen, dessen Gesamtkosten bei kalkulierten zwei Milliarden Euro zwischenzeitlich mit 4,3 Milliarden beziffert werden.

 

Die Parallelen zum Stuttgarter Großprojekt sind dabei allerdings nicht zu übersehen: auch in Berlin haben offenbar Planer schon vor 17 Jahren vor erheblichen Kostensteigerungen gewarnt. Hier wie dort hat sich der Etat bis heute dann auch tatsächlich fast verdoppelt. So hatte die Deutsche Bahn im Juli 2004 in einer Wirtschaftlichkeitsberechnung die Kosten von Stuttgart 21 noch mit 2,8 Milliarden Euro angegeben, im November 2009 legte der Bahnchef Rüdiger Grube die neue Sollbruchstelle dann mit 4,53 Milliarden Euro fest. Seither sind aber mehrere Gutachten veröffentlicht worden, unter anderem vom Münchner Ingenieurbüro Vieregg & Rössler, in denen weitere massive Kostensteigerungen vorhergesagt werden.

Claus Schmiedel warnt vor hohen Ausstiegskosten

Am Mittwoch tagt nun im Tower am Potsdamer Platz der Bahnaufsichtsrat, im Vorfeld des Treffens wird seit Tagen bundesweit über die Höhe der Mehrkosten spekuliert. Derzeitiger Höhepunkt sind laut „Tagesspiegel“, der aus einem weiteren Gutachten zitiert, Projektgesamtkosten von bis zu zehn Milliarden Euro. Und während es beim Berliner Hauptstadtflughafen längst kein Zurück mehr gibt, soll am Mittwoch unbestätigten Gerüchten zufolge angeblich auch ein möglicher Ausstieg aus dem umstrittenen Projekt Stuttgart 21 diskutiert und vorgerechnet werden. Der könnte, so warnte am Wochenende der SPD-Fraktionschef im Landtag, Claus Schmiedel, drei Milliarden Euro kosten. Die müssten die Bahn „für nichts geben“, sagte der Sozialdemokrat.

Tatsächlich ist die Aufsichtsratssitzung von der Bahn bereits im März angekündigt worden, nachdem der Vorstand für Stuttgart 21 ein Sechspunkteprogramm zur Kostensenkung vorgestellt hatte. Mit der Umsetzung wurde Anfang 2012 die Unternehmensberatung McKinsey beauftragt, unter anderem soll kurzfristig eine effizientere Projektstruktur mit einer zusätzlichen Führungsebene installiert werden. Dazu soll auch die Personalplanung nach Einsparpotenzial durchleuchtet werden.

Kefer legt eine Chancen- und Risikoanalyse vor

Für die Umsetzung des Sparprogramms für Stuttgart 21 und der neuen Projektstruktur braucht die Bahn nun die Zustimmung des Aufsichtsrats, was einer der Hauptpunkte auf der Tagesordnung am Mittwoch sein dürfte. Zudem wird der Bahn-Technikvorstand Volker Kefer den 20 Aufsichtsratsmitgliedern wie auch schon im vergangenen Jahr eine aktualisierte Chancen- und Risikoanalyse für das Milliardenprojekt vorlegen. Dabei dürfte vor allem die Planung für den Filderabschnitt eine gewichtige Rolle spielen. Allein der neue Flughafenbahnhof ist inklusive der Anbindung laut einer Machbarkeitsstudie der Bahn mit 250 Millionen Euro Mehrkosten kalkuliert worden. Zudem liegt die Bauherrin in diesem Abschnitt weit hinter dem Zeitplan, was auch die Inbetriebnahme von Stuttgart 21 um weitere Jahre verzögern könnte.

Dann will der Bahnvorstand angesichts weiterer drohender Kostensteigerungen offenbar auch den Vorschlag machen, dass Mehrkosten, die durch Planungsfehler der Bahn verursacht wurden, aus dem Gesamtbudget herausgerechnet und von der Bahn alleine getragen werden. Auch dafür soll der Aufsichtsrat seine Zustimmung geben. Und nicht nur das: Darüber hinaus verspricht sich die Bahn von dem Gremium trotz aller Widrigkeiten und ungünstigen Prognosen ein klares Bekenntnis zu S 21.

Dass Technikvorstand Kefer dem Aufsichtsrat am Mittwoch interne Papiere mit neuen Zahlen vorlegen wird, die den Kostendeckel von Stuttgart 21 jenseits der 4,53 Milliarden Euro festsetzen, ist derweil mehr als unwahrscheinlich. Sich zu neuen Gesamtkosten von beispielsweise sechs Milliarden Euro zu bekennen, könnte sich die Bahn schlicht nicht leisten.

Bahnchef Grube selbst hatte im Dezember 2009 in Stuttgart erklärt, dass sich das Projekt für die Bahn lediglich bis zu einer Höhe von 4,7 Milliarden Euro betriebswirtschaftlich rechne. Darüber hinaus sei Stuttgart 21 ein Verlustgeschäft. Diesem dürfte der Aufsichtsrat wiederum keinesfalls zustimmen.