Die Deutsche Bahn will keine "rückwärtsgewandte" Debatte um die Projektfinanzierung führen. Eine Anatomie der Dementis aus dem Konzern.

Stuttgart - Die Vorwürfe gegen die Deutsche Bahn, hinsichtlich der Finanzierung von Stuttgart 21 und der Neubaustrecke der Öffentlichkeit und den Parlamenten konzernintern bereits bekannte Kostensteigerungen verschwiegen zu haben, wiegen schwer. Schwer tut sich offenbar auch die DB damit, sie zu entkräften. Dementiert werden bisher nur Behauptungen, die gar niemand aufgestellt hat.

 

Als am Montag dieser Woche Dokumente aus den Jahren 2002 bis 2009 bekannt wurden, wonach die Bahn über Jahre hinweg die Kosten für den milliardenschweren Bau des unterirdischen Tiefbahnhofs intern immer höher kalkuliert habe als offiziell angegeben, reagierte der Konzern noch mit einem schriftlichen Dementi. Tenor: die Papiere seien alt, sie stammten allesamt aus der Zeit, bevor der Vorstandsvorsitzende Rüdiger Grube eine "transparente und umfassende Kostenaufstellung der Öffentlichkeit vorgestellt hat". Im Übrigen verwies der Konzern auf die gültigen Finanzierungsvereinbarungen, in denen Stuttgart 21 mit Baukosten von 4,088 Milliarden Euro beziffert ist.

Stillschweigen über die Mehrkosten

Ähnlich verhält es sich mit dem Thema der unter der Decke gehaltenen Mehrkosten für die neue Strecke Wendlingen-Ulm. Wie die Stuttgarter Zeitung unter Berufung auf DB-interne Papiere berichtet hatte, hatte die Bahn schon Ende 2002 Kosten für die Strecke von 2,6 Milliarden Euro veranschlagt - zu einem Zeitpunkt also, als die Strecke im Bundesverkehrswegeplan (BVWP) noch mit rund 1,35 Milliarden festgehalten war. Um eine Aufnahme der ICE-Trasse in den "vordringlichen Bedarf", also die Verkehrsprojekte mit politischer Priorität, nicht zu gefährden, hatten die Bahn und die damalige Landesregierung im Juni 2003 Stillschweigen über die intern ermittelten Mehrkosten vereinbart.

Diesmal widerspricht die Bahn nur noch mündlich: Es handele sich um "veraltete Papiere"; dass es sich um Dokumente neueren Datums handelt, stand gar nicht zur Debatte. Der Sprecher des Bahnprojekts Stuttgart-Ulm, Wolfgang Dietrich, betonte in der StZ, die Neubaustrecke sei schon seit Mitte der 80er Jahre Bestandteil des Bundesverkehrswegeplans (BVWP) gewesen - auch dies ein Faktum, das zuvor niemand bestritten hatte. Der eigentliche Vorwurf, der durch die Veröffentlichung der bahninternen Dokumente im Raum steht, nämlich dass der Konzern seinen Eigentümer, den Bund, über die Berechnungen im Unklaren gelassen hat, um die Priorisierung des Projekts im BVWP nicht zu gefährden, kommentiert auch Dietrich nicht.

In Bahn-Kreisen erklärt man die eigene Zurückhaltung unter der Hand damit, man wolle keine "rückwärtsgewandte" Diskussion führen. Vielmehr richte die Bahn ihr Augenmerk auf den Stresstest. Bahn-Chef Rüdiger Grube hat sich zu den Vorwürfen, die die Amtszeit seines Vorgängers Hartmut Mehdorn betreffen, nicht geäußert.